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Nachruf auf Hannah Pick-GoslarAnne Franks Freundin ist tot

Hannah Pick-Goslar überlebte das KZ Bergen-Belsen und emigrierte nach dem Krieg nach Israel. Nun ist sie im Alter von 93 Jahren gestorben.

Hannah Pick-Goslar, hier im Jahr 2004 im Anne Frank Haus in Berlin Foto: Christian Thiel/imago

Berlin taz | Tagebucheintrag vom 15. Juni 1942: „Hanneli Goslar ist ein ein bisschen eigenartiges Mädchen, sie ist meistens schüchtern und zu Hause sehr frech, aber bei anderen eben bescheiden. Sie tratscht alles was man ihr erzählt an ihre Mutter weiter. Aber sie hat eine offene Meinung und vor allem in der letzten Zeit schätze ich sie sehr.“

Als Anne Frank diese Zeilen schrieb, besaß sie ihr Tagebuch erst seit wenigen Tagen. Es war ein Geschenk zu ihrem 13. Geburtstag gewesen, bei dem auch Hannah anwesend war. Die aus Frankfurt am Main nach Amsterdam emigrierte jüdische Familie Frank lebte noch legal und Anne besuchte das Gymnasium. Es war dieselbe Schule, in die auch Hannah Goslar, genannt Hanneli, ging, doch die Mädchen kannten sich bereits aus dem Kindergarten.

Hannahs Eltern Ruth und Hans Goslar kamen aus Berlin und waren über London vor den Nazis in die Niederlande geflüchtet. Es waren streng gläubige Juden, die sich für den Zionismus einsetzten – ganz im Gegensatz zum Vater von Anne Frank, der mit Religion nicht viel anzufangen wusste. Hans Goslar hatte als Ministerialrat gearbeitet, während Annes Vater Otto Bankkaufmann war.

Die Familien lebten in Amsterdam nahe beieinander und freundeten sich an – auch Anne und Hannah: „Hanneli und Sanne waren früher meine beiden besten Freundinnen“, schrieb Anne Frank am 14. Juni 1942 in ihr später so berühmt gewordenes Tagebuch.

Anne Frank starb Ende Februar oder Anfang März 1945 mit 15 Jahren im KZ Bergen-Belsen, nach dem das Versteck der Familie in einem Amsterdamer Hinterhaus im August 1944 von der Gestapo entdeckt worden war. Auch die 1928 geborene Hannah Goslar entging den Nazis nicht. Sie wurde 1943 deportiert. Weil der Vater zum vermeintlichen Schutz die Staatsbürgerschaft Paraguays gekauft hatte, gerieten sie in einen Teil des KZ Bergen-Belsen, das sich „Austausch­lager“ nannte. Die Menschen dort starben aber genauso wie im Rest des Lagers. Auch Hannahs Vater überlebte nicht.

Drei Kinder, zehn Enkel und 31 Urenkel

Hannah Goslar erinnerte sich, dass sie ihre Freundin in Bergen-Belsen noch gesehen hat. Zwischen ihnen war Stacheldraht gespannt, denn das „Austauschlager“ war vom Rest des KZ abgetrennt. „Ich habe niemanden mehr“, habe die weinende Anne Frank ihr dort gesagt. Bald darauf starb sie.

Hannah aber überlebte. In den letzten Kriegstagen musste sie einen Zug besteigen, der sie und Tausende andere Gefangene ins Getto Theresienstadt bringen sollte. Doch er kam nie an. Hannah Goslar wurde schließlich am 11. April 1945 zusammen mit ihrer jüngeren Schwester befreit.

Über die Schweiz emigrierte die Freundin Anne Franks im Mai 1947 nach Palästina, das bald darauf Israel wurde. Sie wurde Krankenschwester, heiratete Walter Pick und hatte drei Kinder, zehn Enkel und 31 Urenkel. „Das ist meine Antwort auf Hitler“ sagte sie dazu einmal.

Hannah Pick-Goslar ist am 28. Oktober in Jerusalem im Alter von 93 Jahren verstorben, wie die Anne-Frank-Stiftung mitteilte. Über Anne Frank sagte Hannah 1998: „Heute glaubt jeder, dass sie irgendwie heilig gewesen sei, aber das stimmt nicht. Sie war ein Mädchen, dass großartig schreiben konnte und das unter unglaublichen Umständen schnell heranreifte.“

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