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Binärsystem zum Anfassen

Studie zum Umgang mit Medien, nicht nur die digitalen berücksichtigt

Die im Wortsinn begreifbare Erfahrung bildet die Grundlage für ein echtes Verständnis von Informatik

Für die aktuelle MünDig-Studie („Mündigkeit und Digitalisierung“) unter der Leitung von Paula Bleckmann wurden rund 1.000 pädagogische Fachkräfte, 4.000 Eltern sowie 400 Schülerinnen und Schüler waldorfpädagogischer Einrichtungen befragt. Die Studie verfolgt das Ziel, den aktuellen Forschungsstand sowie bisher nicht empirisch untersuchte Phänomene zu beleuchten, Zusammenhänge darzulegen und in den fachwissenschaftlichen Diskurs einzuordnen.

Dabei wird ein besonderes Augenmerk auch auf die analogen Medien gerichtet – Bücher, Zettelkasten und Daumenkino sind für die jüngeren Altersklassen nicht nur unterhaltsam, sondern schaffen erst die Grundlage für den späteren Umgang mit Computer, Tablet und weiteren Tools. „Die Grundprinzipien informationsverarbeitender Systeme finden sich auch in ganz einfachen Spielen wie ‚Ich sehe was, das du nicht siehst‘ und ‚Wer bin ich?‘“, erklärt Paula Beckmann. „Durch systematische Fragen nähern sich die Kinder der Lösung und erfahren durch Ja- oder Nein-Antworten ganz selbstverständlich und spielerisch einen binären Suchalgorithmus.“

Aufgrund der Einschränkungen durch Corona gehörte der Einsatz digitaler Medien, auch in Waldorf-Einrichtungen, zum schulischen Alltag, sollte aber kritisch gesehen werden: „Die digitalen Medien waren ein notwendiges Hilfsmittel – sie nun unkritisch zum Normalfall zu erklären, würde bedeuten, Krücken dem gesunden Laufen vorzuziehen“, so Paula Bleckmann. Drei Grundprinzipien sollen gewährleisten, dass die Kinder die notwendige Medienmündigkeit erreichen: Analog vor digital, produzieren vor konsumieren und Durchschaubarkeit vor Black Box.

Kathrin Seeger-Chesnais hat in der Unterrichtsreihe „Von der Keilschrift bis zum ASCII-Code“ an der Waldorfschule Göppingen mit einer sechsten Klasse mit der „Binären MAMA“ gearbeitet. Diese Murmeladdiermaschine ermöglicht Schülerinnen und Schülern das aktiv handelnde Erleben fundamentaler Konzepte der Informatik ohne PC.

Das auf den ersten Blick ein wenig unscheinbare Holzbrett mit Leisten, Metallkugeln und -schienen birgt ungeahnte Möglichkeiten: „Man kann mit der MAMA zum Beispiel ganz einfach Dezimalzahlen in ablesbare Binärcodes verwandeln und diese Binärcodes dann wiederum in Pixelbilder“, erläutert die Lehrerin, die ihre Erfahrungen für ihre Masterarbeit nutzt. Diese anschauliche und im wahrsten Sinne des Wortes begreifbare Erfahrung bildet die Grundlage für ein echtes Verständnis von Informatik. Wie eine Schülerin spontan feststellte: „Ich fand’s cool, dass der Computer alles rechnet und nicht denkt.“

Cordula Rode

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