Die „Höckejugend“ hat einen neuen Anführer

Mit 91,7 Prozent hat die Junge Alternative den Abgeordneten Gnauck zu ihrem Chef gewählt. Der Zeitsoldat wird vom Militärgeheimdienst als Extremist eingestuft und darf keine Uniform mehr tragen

Sitzt im Bundestag mit strammem Scheitel: der neue JA-Chef Hannes Gnauck  Foto: Fabian Sommer/dpa/picture alliance

Von Gareth Joswig

Die Personalie darf durchaus als Richtungsentscheidung der ganzen AfD gelten. Denn beim „Bundeskongress“ der Jungen Alternative (JA) im thüringischen Apolda war klar: der Segen der mächtigsten Parteifunktionäre ist da. Denn sowohl Björn Höcke, rechtsextremer Chef der AfD Thüringen, sowie Tino Chrupalla, Co-Vorsitzender des Bundesvorstands, hielten Grußreden an den Nachwuchs. Von Distanzierung, wie es sie in der Vergangenheit gab, also keine Spur.

Das Ergebnis war durchaus radikal: Die Junge Alternative wählte Hannes Gnauck zu ihrem Vorsitzenden: einen Zeitsoldaten, der zuletzt keine Uniform mehr tragen oder Kasernen betreten durfte, weil er vom Militärgeheimdienst MAD als Extremist eingestuft wurde – mit der höchsten Warnstufe: rot.

Der 31-jährige Gnauck kommt aus Prenzlau und sitzt für die AfD Brandenburg im Bundestag. Als JA-Chef löste er Carlo Clemens ab, der nicht wieder angetreten ist und für die JA im Bundesvorstand sitzt. Gewählt wurde Gnauck mit überwältigender Mehrheit: mit rund 91,7 Prozent der gültigen Stimmen.

Wer darüber hinaus wissen will, wie Gnauck politisch tickt, kann sich Bilder der großen AfD-Demo in Berlin vor gut einer Woche ansehen: Dort lief der neue JA-Chef an der Spitze des JA-Blocks, der als zweiter hinter den Spitzenfunktionären den aggressiven Ton der Demo angab. Der Block trat geschlossen und besonders militant auf. Unter Führung von Gnauck skandierte der JA-Block rechtsextreme Parolen wie: „Festung Europa“, „Wer Deutschland nicht liebt, soll Deutschland verlassen“ oder „Heimat, Freiheit, Tradition – Multikulti Endstation!“ Letzteres ist ein Slogan der Identitären Bewegung. Überschneidungen zu den rechtsextremen Identitären finden sich also nicht nur in der Frisur von Gnauck, sondern auch ideologisch. Und auch im Anschluss auf Twitter klang Gnauck nicht weniger radikal: „Ich werde sowohl im Deutschen Bundestag als auch auf der Straße für mein Volk kämpfen! Zieht euch warm an da oben, das war gerade nur der Anfang!“

Ähnliche Zeugnisse Gnaucks gab es auch schon zuvor genug: Bereits im Kreistag schwadronierte er von einer „gesellschaftszersetzenden Asylmaschinerie“ und einer „höllischen Symbiose aus Wirtschafts­eliten, radikaler Linken und Erfüllungsgehilfen der Migrationslobby“. Im Bundestagswahlkampf 2021 bekräftigte er seine Aussagen. Entsprechend kontrovers war die Entscheidung der AfD-Bundestagsfraktion, Gnauck in den Verteidigungsausschuss zu schicken, wo man guten Einblick in sensible Bereiche erhält.

Das JA-Bundestreffen war weniger besucht als im Vorjahr: Mit rund 170 Mitgliedern kamen 100 weniger als 2021. Nach eigenen Angaben hat die JA rund 1.700 Mitglieder, deutlich weniger als die Jugendverbände anderer Parteien im Bundestag. Nach Einschätzung vieler Ex­per­t*in­nen fungiert die JA als Brückenkopf zur „Neuen Rechten“, Grenzen zur Identitären Bewegung sind fließend – es herrschen noch zugespitzter als in der AfD rassistische, antifeministische, revisionistische und nationalistische Diskurse vor. In Sachsen-Anhalt nannte sich die JA in einem später gelöschten Posting gleich „Höckejugend“.

Beim „Bundeskongress“ in Apolda nahmen als Gäste auch Rechtsextreme wie der Österreicher Michael Scharfmüller teil. Beim Aufbau half Neonazi Christian K., der zuletzt die Demo von Gera anmeldete, wo Höcke Putin-Verehrung und Umsturzträume vor Tausenden Menschen ausleben durfte. An Infoständen präsentierte sich das rechte Modelabel „Phalanx Europa“ direkt neben dem rechtsextremen Compact-Magazin und der Organisation „Ein Prozent“.