Wiederholung der Wahl in Berlin?

Die Wahlen zum Abgeordnetenhaus und den Bezirksparlamenten sind laut Gericht nicht verfassungskonform

Von Stefan Alberti
und Bert Schulz

Berlin steht die Wiederholung der Wahlen zum Abgeordnetenhaus und den Bezirksparlamenten bevor. Darauf deutet die Einschätzung des Berliner Verfassungsgerichtshofs hin, die dieser zu Beginn einer Anhörung am Mittwoch abgab. „Nur die vollständige Wiederholung der Wahlen kann deren Verfassungskonformität wieder herstellen“, erklärte Gerichtspräsidentin Ludgera Selting. Sie betonte zugleich, dass diese Entscheidung noch nicht endgültig sei, sondern „an der ein oder anderen Stelle“ verändert werden könne. Eine finale Entscheidung wird bis Ende des Jahres erwartet, die mögliche Wahlwiederholung müsste dann innerhalb von drei Monaten stattfinden.

Eine Klatsche für die Senatsverwaltung für Inneres und die ihr unterstehende Landeswahlleitung waren Seltings Aufzählungen allemal. Dezidiert rechnete Selting vor, dass schon im Vorfeld der Wahlen im September 2021 schwerwiegende Fehler begangen wurden: Die Anzahl der notwendigen Wahlkabinen sei falsch berechnet und oftmals seien zu wenige Wahlzettel zu spät verteilt worden.

Die Folge: Lange Schlangen vor vielen Wahllokalen, die teilweise wegen fehlender Stimmzettel geschlossen werden mussten. Insgesamt beträgt die Stundenzahl der geschlossenen Wahllokale während der Abstimmungszeit 83 Stunden, wie sich aus den Unterlagen der Wahllokalleiter ergeben habe. Doch das, so Selting, sei nur die „Spitze des Eisbergs“. Denn die Dokumentationen der Wahllokalleiter seien wegen deren Überlastung unvollständig. Rechnet man die Stunden nach 18 Uhr zusammen, die die Wahllokale länger geöffnet waren, kommt man auf mehr als 350 Stunden. „Niemand wird herausfinden, wie viele Leute nicht gewählt haben und wie viele nach 18 Uhr nicht unbeeinflusst ihre Stimme abgegeben haben“, sagte Selting.

Am 26. September 2021 standen in Berlin vier Abstimmungen an: Gewählt wurden Bundestag, Abgeordnetenhaus und die Bezirksparlamente, zudem wurde über den Volksentscheid Deutsche Wohnen & Co enteignen abgestimmt. Parallel dazu blockierte der Berlin-Marathon weite Teile der Innenstadt. Außerdem galten Corona-Auflagen. Im Vorfeld der Anhörung hatten viele Ex­per­t*in­nen und auch Abgeordnete der rot-grün-roten Koalition darauf hingewiesen, dass es zwar zahlreiche Fehler gegeben habe, diese aber in den wenigsten Fällen auch mandatsrelevant gewesen seien. Dieser Einschätzung erteilte das Verfassungsgericht eine klare Absage: Veränderungen der Sitzverteilung könnten bereits durch kleinste Fehler entstehen. Zudem seien die Fehler flächenübergreifend in „mehr oder weniger großem Ausmaß“ in allen Wahlkreisen aufgetreten.

Über die Gültigkeit der Bundestagswahl entscheidet der Bundestag selbst. Bereits im Mai hatte allerdings der Bundeswahlleiter eine Wiederholung der Wahl in sechs der zwölf Berliner Wahlkreise gefordert. Eine Entscheidung wird in den nächsten Wochen erwartet.