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Faires Spiel im Kinderzimmer

Europäische Spielzeughersteller lassen ihre Produkte häufig in Asien fertigen. Dabei bleiben Arbeitnehmer oft auf der Strecke. FTO setzt sich für sie ein

Faires Spielzeug: ein Wegweiser

Die bunte, kulleräugige Branche der Kinderträume ist knallhart, doch wir haben Mittel, sie zu beeinflussen und die große Chance, die Erziehung zur Achtsamkeit schon beim Spielzeug zu beginnen. Öko-Siegel und das CE-Zeichen geben Hinweise – zumindest bedingt.

Die CE-Kennzeichnung sagt nur aus, dass EU-Vorgaben im Hinblick auf Sicherheit und Gesundheitsschutz der Konsument:innen eingehalten werden. Sie enthält jedoch keine Aussagen zu Arbeitsbedingungen in der Produktion.

Das FSC-Siegel bei Holzspielzeug steht für die Förderung einer umweltfreundlichen, sozial förderlichen und ökonomisch tragfähigen Bewirtschaftung von Wäldern, enthält also einen sozialen Aspekt.

Die GOTS-Zertifizierung bei Produkten aus Baumwolle, wie Kuscheltieren, garantiert den ökologischen Anbau von Baumwolle, ökologische Anforderungen bei der Weiterverarbeitung sowie die Einhaltung von Arbeitsrechten in der gesamten Lieferkette.

Haupttreiber für exzessive Überstunden in der Spielwarenindustrie ist das Weihnachts­geschäft. Beschränken Sie sich deshalb im Advent auf kleine Geschenke aus Fairem Handel und kaufen Sie größere Geschenke nur zum Geburtstag. Damit tragen Sie zur Vermeidung von Überstunden bei.

Vermeiden Sie Bestellungen von Produkten über Internetplattformen (zum Beispiel Taobao) direkt beim Hersteller. Produkte aus den sogenannten Taobao-Dörfern in China sind in der Regel weder arbeitsrechtlich vertretbar noch auf Sicherheit und Schadstoffe geprüft.

Kaufen und verkaufen sie gebrauchtes Spielzeug, das schont die Umwelt und den Geldbeutel.

Alternativ zu den großen Marken bieten Weltläden ein kleines aber feines Sortiment an fair gehandeltem Spielzeug.

Siehe Artikel Seite 03 unten

Wenn die Leni dem Oli seine Plastikfigur stibitzt, dann ist das unfair. Wenn die gleichaltrige Lien abends anstatt aus der Schule aus der Fabrik nach Hause kommt, in der sie stundenlang Hunderte Actionfiguren zusammengeklebt hat, dann ist das unvergleichbar unfairer. So offenbart sich in der heilen Welt des Kinderzimmers die perfide Paradoxie des in Kinderarbeit produzierten Spielzeugs. Doch es sind nicht nur Kinder, die unter schwersten, unwürdigen Bedingungen in chinesischen Fabriken Spielzeug für den europäischen Markt herstellen. So berichtet der „Toys Report“ der Christlichen Initiative Romero (CIR) auch für 2021 von Menschenrechtsverletzungen in chinesischen Betrieben: Überstunden, keine existenzsichernden Löhne, mangelnde Sozialversicherungen, unzureichender Arbeitsschutz, mangelhafte Arbeiter:innen-Vertretung, Misshandlungen und sexuelle Belästigung sind nur ein Ausschnitt.

Um diese Zustände zu ändern, gründete die CIR zusammen mit weiteren zivilgesellschaftlichen Akteuren und Spielzeugherstellern vor gut zwei Jahren die Fair Toys Organisation (FTO). Die Form einer Multi-Stakeholder-Initiative, in der Vertreter verschiedener Interessensgruppen gemeinsam Standards definieren, ist ein wichtiger Faktor für die Glaubwürdigkeit der FTO. Ihr Ziel ist die Entwicklung eines Prüfverfahrens auf Grundlage der fünf Kernelemente menschenrechtlicher Sorgfalt für Unternehmen (nach den UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte) – des sogenannten Fair Performance Checks. Dabei wird überprüft, ob ein Hersteller sowohl die Arbeitsrechte der Menschen in der Produktion als auch Umweltauswirkungen seines Unternehmens mitdenkt und sicherstellt. Schneidet das Unternehmen gut ab, erhält es ein Siegel, das seine Produkte als fair produziertes Kinderspielzeug kennzeichnet. Ein wichtiger Schritt auf der Ebene der KonsumentInnentransparenz.

„Insbesondere weil es für den Spielzeugbereich noch wenig Siegel gibt, die Aussagen zu den Arbeitsbedingungen in der Produktion machen, wurde die FTO gegründet. Sie nimmt Sozialstandards in den Blick, gleichzeitig gibt es aber auch Anforderungen im Bereich der Umweltverantwortung“, fasst Anna Grasemann, Referentin der Geschäftsstelle der FTO, zusammen. Anders als bei den in der Branche üblichen Audits und Zertifizierungen von Produktionsstätten, die oft nur Momentaufnahmen und durchaus fehleranfällig sind, konzentriert sich die FTO auf diverse Elemente, welche die Arbeitsbedingungen und Umweltauswirkungen entscheidend beeinflussen, und berät und begleitet die Unternehmen bei der Verbesserung gefundener Mängel. „Des Weiteren ist uns ein umfassendes Monitoring der Lieferkette wichtig“, ergänzt Steffen Kircher, ebenfalls Referent bei der FTO. „Hierbei berücksichtigen wir, ob ein Unternehmen seine Produktionsstandorte regelmäßig überprüft, wie es anschließend mit den Ergebnissen umgeht und bei Mängeln Verbesserungen anstrebt.“ Dazu gehört auch der Aspekt, ob das Unternehmen langfristig mit seinen Lieferanten zusammenarbeitet, sodass ein Lieferant überhaupt zu einer gemeinsamen Arbeit an einer Verbesserung bereit ist. Ab Ende 2022 beginnt der erste Durchlauf des Fair Performance Checks, sodass im Jahr 2023 Siegel an Unternehmen vergeben werden.

Worauf sollte man generell beim Spielzeugkauf achten? Grasemann rät: „Informieren Sie sich vor dem Kauf über die Hersteller und Produkte. Ab November veröffentlichen wir auf unserer Webseite die Unternehmensprofile unserer Mitgliedsunternehmen mit Informationen zu ihren Maßnahmen auf dem Feld der Arbeitsbedingungen und Umweltauswirkungen. Unter unseren Mitgliedern befinden sich sowohl Hersteller als auch Händler. Informationen findet man natürlich auch auf den eigenen Webseiten von Spielwarenherstellern und -händlern. Beim Kauf würde ich zudem beachten, dass das Spielzeug stabil und langlebig ist und möglichst lang genutzt werden kann. Denn dies hat ökologisch den Aspekt, dass weniger Ressourcen verbraucht werden.“

Anna Löhlein

ci-romero.de/toys-report-2021

fair-toys.org

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