Entlastungspaket der Bundesregierung: Bundesländer wollen Mitsprache

Nach der Vorstellung des dritten Entlastungspakets der Ampel gibt es Zweifel an der Umsetzung und an der Wirksamkeit. Die Länder wollen mitreden.

Omid Nouripour (Grüne), Olaf Scholz (SPD), Christian Lindner (FDP), Saskia Esken (SPD)

Die Ampel-Koalition glaubt an den großen Wurf. Aber das Entlastungspaket steht in der Kritik Foto: Michael Kappeler/dpa

BERLIN dpa/afp/taz | Nach der Ampel-Einigung auf ein milliardenschweres neues Entlastungspaket hoffen führende Koalitionspolitiker auf Wohlwollen und Unterstützung. Entscheidend sei das Ergebnis, „und ich denke, das überzeugt“, sagte Bundesfinanzminister und FDP-Chef Christian Lindner am Sonntagabend in den ARD-„Tagesthemen“ mit Blick auf die langen Verhandlungen.

Aus der Opposition kommt dagegen scharfe Kritik. Zudem wollen die Bundesländer bei der Umsetzung der einzelnen Maßnahmen mitsprechen. Die Regierungschefs von Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg, Hendrik Wüst (CDU) und Winfried Kretschmann (Grüne), forderten eine baldige Ministerpräsidentenkonferenz mit Kanzler Olaf Scholz (SPD).

Das Entlastungspaket habe massive Auswirkungen auf die Länderhaushalte, sagte Kretschmann. Deswegen müssten die Länder darüber dringend mit dem Bund sprechen. Wüst, aktuell Vorsitzender der Ministerpräsidentenkonferenz, sagte den Zeitungen der Mediengruppe Bayern (Montagsausgabe): „Wenn die Länder mit bezahlen sollen, müssen sie auch mit entscheiden können.“ Es gebe noch viele offene Fragen. „Darüber sollte sehr zeitnah bei einer Ministerpräsidentenkonferenz mit dem Bundeskanzler beraten werden.“

Die Ampel-Koalition hatte sich am Sonntag auf ein drittes Entlastungspaket verständigt, dessen Umfang die Regierung auf etwa 65 Milliarden Euro beziffert. Es umfasst unter anderem Direktzahlungen für Rentner und Studierende, Steuererleichterungen und eine Erhöhung der Regelsätze in der Grundsicherung sowie des Kindergelds. Geplant ist auch eine Strompreisbremse für einen gewissen Basisverbrauch.

Familien sollen entlastet werden

Zudem strebt die Ampel einen bundesweit gültigen Nachfolger für das 9-Euro-Ticket im Nahverkehr an, und zwar in der Preisspanne von 49 bis 69 Euro pro Monat. Der Bund will 1,5 Milliarden Euro dafür zuschießen, wenn die Länder mindestens ebenso viel zahlen.

Laut Finanzminister Christian Lindner, wird derzeit an Schätzungen zu den Entlastungen für Familien gearbeitet: Eine vierköpfige Familie mit 31.000 Euro Jahreseinkommen werde um 1500 Euro entlastet, bei 66.000 Euro Einkommen seien es 1000 Euro. „Das zeigt: Die Maßnahmen wirken nicht nur z.B. bei der Grundsicherung, sondern auch in der „arbeitenden Mitte““, so Lindner.

CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt kritisierte dagegen, der Ampel-Kompromiss sei „unkonkret, unvollständig und ungenügend“. „Notwendige Maßnahmen gegen die Energiepreisexplosion bleiben ungelöst“, sagte er. „Keine Entscheidung zum Weiterbetrieb der Kernkraftwerke, keine Entscheidung zur Reduzierung der Gaspreise, keine Entscheidung zum Stopp der Gasumlage, keine Klarheit bei der Dämpfung der Energiekosten, weder an der Zapfsäule noch beim Gas, noch beim Strom“.

Lindner warb auch für die Pläne zum Abschöpfen sogenannter Zufallsgewinne von Stromproduzenten. „Ich bin sehr dafür, dass wir am Strommarkt (…) den Rendite-Autopiloten abschalten“, sagte er in der ARD. „Konkret geht's ja darum, dass die Produzenten zum Beispiel von Windstrom so bezahlt werden, als hätten sie teures Gas eingekauft. Das muss abgeschaltet werden.“

Übergewinnsteuer fehlt – FDP hatte blockiert

Die Ampel will „Zufallsgewinne“ von Energieunternehmen infolge extrem hoher Strompreise teilweise abschöpfen und damit die geplante Strompreisbremse finanzieren. Hintergrund: Der Preis am Strommarkt richtet sich nach den Kosten des teuersten Kraftwerks, das aktuell für die Stromerzeugung benötigt wird. Derzeit sind das die Gaskraftwerke. „Die Produktionskosten ändern sich jedoch für die meisten Stromproduzenten – etwa die Erneuerbaren, Kohle- oder Atomstrom – nicht“, heißt es im Ergebnispapier – dadurch entstünden für diese derzeit enorme Gewinne. Angedacht ist nun eine Erlösobergrenze.

Im „Heute Journal“ des ZDF betonte Lindner, es gehe nicht um eine Übergewinnsteuer. Eine solche Steuer für Energiekonzerne hatten SPD und Grüne gefordert, die FDP lehnte sie jedoch ab. „Es geht da um den Preis pro Kilowattstunde, es geht da nicht um den Gewinn eines Unternehmens“, erläuterte der Finanzminister die Koalitionspläne in der ARD. „Eine Übergewinnsteuer hingegen, die hätte Willkür in unser Steuersystem gebracht.“

SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert sicherte bei den Strommarkt-Plänen Tempo zu: „Das muss jetzt zackig gehen. Wir suchen kurzfristig eine gemeinsame Lösung auf europäischer Ebene, das läuft bereits“, sagte er den Zeitungen der Neuen Berliner Redaktionsgesellschaft. „Wenn wir keinen europäischen Weg finden, was ich nicht glaube, dann setzen wir die Gewinnabschöpfung national um.“ So oder so könnten die Deutschen sich darauf verlassen, dass die Preisbremse komme.

Der Wirtschaftswissenschaftler Michael Hüther äußerte sich kritisch zu diesem Vorhaben. „Die Besteuerung der Zufallsgewinne bleibt ebenso unkalkulierbar wie die daraus folgende Entlastung der Stromkunden“, sagte der Direktor des arbeitgebernahen Instituts der Deutschen Wirtschaft der „Rheinischen Post“ (Montag). „Alles in allem: vage Lösung, deren Volumen und Wirkung unklar bleibt.“

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