Die Wahrheit: Die Kuh-Inseln

Paare auf Reisen sind ein ganz besonderes Kapitel für sich – vor allem wenn es auf die Eilande im Kanal zwischen Britannien und Frankreich geht.

Es heißt ja, dass sich Ehepartner im Laufe der Jahre immer ähnlicher werden, was ich bisher nicht unterschreiben wollte, denn ich kann nicht gut Gitarre spielen, habe keinen Bart und fasse Werkzeuge meist am falschen Ende an. Doch als wir im vergangenen Jahr mal mit vielen uns nicht bekannten Menschen unterwegs waren, lachten die sich kaputt, als der Liebste und ich aus dem französischen Hotel traten. Offenbar gibt es schönere Anblicke als ein altes rundes Paar in blau-weißen Ringel-T-Shirts. Peinlich, dass ich beim Ankleiden die drohende Gefahr gar nicht bemerkt hatte. Es heißt ja, dass alternde Ehepaare irgendwann überhaupt nichts mehr mitkriegen.

Um so mutiger war es von uns, in diesem Jahr gemeinsam mit Freunden in den Urlaub zu fahren. Die würden all unsere Schrullen von Nahem beobachten können! Es heißt ja, dass auch Freunde sich immer ähnlicher werden, und was meine Freundin A anbelangt, muss ich zugeben, dass ich zumindest ihre Leidenschaft für Inselreisen übernommen habe. Also planten wir eine gemeinsame Reise auf die Kanalinseln.

Kaum zwanzig Jahre später war es nun so weit. Die Inseln sind allerdings genauso skurril wie wir. Zwar tragen sie keine Ringel-T-Shirts, weil sie sehr englisch sind und nur ein bisschen französisch, doch auch nicht richtig britisch, sondern Kronbesitz. Vielleicht nimmt die Queen sie mit ins Grab, wer weiß. Es gibt sogar eigenes Geld, das in Deutschland die Sparkasse nicht wieder eintauscht.

Berühmt ist die Insel Jersey für ihre Kühe, die A sehr gern fotografieren wollte, weil in ihrer Familie jemand Kühe hält. Wo sich diese Tiere aufhalten sollen, blieb allerdings ein Rätsel, obwohl überall hervorragendes Eis und leckere Jersey-Cream verkauft wurde. Ikonische Fotos von Briefkastenfirmenbriefkästen wären einfacher zu knipsen gewesen, aber wer in Deutschland hält schon Briefkästen?

Noch häufiger zu sehen war nur alter deutscher Beton. Auf den von den Briten damals nicht verteidigten Inseln rammten die Nazis einst den Westwall in den Boden. An jedem markanten Küstenpunkt finden sich Überreste von Flakstellungen. Selbst ein unterirdisches Wehrmachtshospital gibt es zu besichtigen, ein Gruselparcours der Spitzenklasse. Auf der Touristenkarte sind diese Stätten zuvorkommend mit einem kleinen Hakenkreuz markiert.

Deshalb hätte man nun gern gerufen: Mein Großvater war nie hier! Aber auch ohne solch wohlfeile Lippenbekenntnisse wurden wir allseits freundlich aufgenommen. Zu Recht, denn selbst wenn wir eine Invasion versucht hätten, wäre sie gescheitert, weil das labyrinthische Busnetz uns enorm verwirrte. So landeten wir immer wieder am Flughafen, sodass man jede Bustour als höfliche Variante von „Go home!“ hätte deuten können, wären die Menschen nicht so nett gewesen.

Und das galt nicht nur für Jersey, sondern auch für Guernsey. Es heißt ja, dass sich benachbarte Inseln im Alter immer ähnlicher werden.

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Susanne Fischer schreibt Romane und Kinderbücher und arbeitet als Geschäftsführender Vorstand der Arno Schmidt Stiftung und des Deutschen Literaturfonds e.V., letzteres ehrenamtlich. (FOTO: THOMAS MÜLLER)

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kari

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