AfD-Vorstand hofft auf Gaskrise

AfD-Politiker Harald Weyel sprach in vertraulicher Runde aus, was wohl viele Rechte denken. Dumm nur, dass das Mikro noch lief. Jetzt rudert Weyel zurück

Von Gareth Joswig

Das Bundesvorstandsmitglied der AfD, Harald Weyel, hat unfreiwillig Einblick in die Gedankenwelt seiner Partei gegeben. Bei einem Livestream für Tiktok vergaß offenbar ein Techniker der Bundestagsfraktion ein Mikro abzustellen. So war zu hören, was der seit 2017 im Bundestag sitzende Weyel zu anderen AfD-Politikern sagte, als diese sich unbelauscht wähnten.

Bei der Veranstaltung am Dienstagabend im Paul-Löbe-Haus mit dem Titel „Ein Winter ohne Gas“ ging es um die Energiekrise sowie deren soziale Folgen. Zur Einschätzung des eingeladenen AfD-Politikers Helmut Waniczek, dass die Lage dramatisch werde, sagte Weyel: „Man muss sagen: hoffentlich. Wenn’s nicht dramatisch genug wird, dann geht’s so weiter wie immer.“ Waniczek entgegnet: „Wenn’s nicht dramatisch wird, ist eh okay. Dann braucht’s die AfD nicht.“ Weyel ist Abgeordneter aus Nordrhein-Westfalen, gilt als Vertrauter Björn Höckes und beschäftigte einen Mitarbeiter des rechtsextremen „Instituts für Staatspolitik“.

Den kurzen Videoschnipsel hat der CDU-Abgeordnete Johannes Steiniger getwittert. Er schrieb dazu: „Harald Weyel hofft, dass die Situation im Winter sehr dramatisch wird. Die AfD zeigt wieder ihr unpatriotisches Gesicht. Eigentlich hassen Afdler Deutschland.“ Auch Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) twitterte dazu: „Wie zynisch die AfD ist. Man hofft auf einen dramatischen Winter, damit man mit der Not der Menschen Gewalt auf der Straße provozieren kann.“

Tatsächlich kommt das Video für die AfD zu einem ungünstigen Zeitpunkt: Die Partei will am Donnerstag ihre Kampagne für den „Heißen Herbst“ vorstellen und entgegen der neoliberalen Agenda vieler AfD-Politiker soziale Themen von rechts besetzen.

Weyel ist in der AfD nicht allein mit seiner Hoffnung auf eine dramatische Lage: Zuletzt hatte der als Putin-Propagandist kritisierte brandenburgische Abgeordnete Steffen Kotré in der Dokumentation „Eine Deutsche Partei“ gesagt, dass vertiefte gesellschaftliche Gräben eine Chance für die AfD seien: „Je schneller es schlimmer wird, desto schneller kann es auch wieder besser werden“, so Kotré dort.

Noch deutlicher war der Ex-Pressesprecher der Bundestagsfraktion, Christian Lüth, der 2020 infolge seiner Äußerungen entlassen wurde. Lüth sagte vor versteckter Kamera einer Pro7-Doku: Der BRD müsse es schlechter gehen, weil die AfD davon profitiere. Er sei für mehr Migranten, weil es der AfD dann besser gehe. Die Migranten könne man „nachher immer noch alle erschießen. Oder vergasen“, so Lüth damals.

Nachdem das aktuelle Weyel-Video viral ging, war die AfD-Fraktion um Schadensbegrenzung bemüht. Auf taz-Anfrage kommentierte Weyel seine Hoffnung auf dramatische Zustände kleinlaut: „Ich wollte meiner Befürchtung Ausdruck geben, dass nur eine Zuspitzung der sich abzeichnenden Krise dazu führen wird, dass die politisch Verantwortlichen endlich die notwendigen Maßnahmen ergreifen.“ Weyel wünsche sich keine Verschärfung der Krise. Das klang in dem Video anders.