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„In dem Kampf, den ich führe, bin ich nur einer von vielen“

Der Künstler thabo thindi zeigt in Osnabrück Porträts von Schwarzen Menschen in Deutschland

Ausstellung „Black faces in white? space“: bis 4. 12., Museumsquartier Osnabrück/Felix-Nussbaum-Haus

Performance „Mokete wa badimo“: Sa, 3. 9., 19 Uhr, Museums­garten

Interview Harff-Peter Schönherr

taz: thabo thindi, Sie schreiben Ihren Namen durchgängig in Kleinbuchstaben. Warum?

thabo thindi: Wenn ich auch Großbuchstaben benutze, zeigt das: Ich sehe mich hier als Individuum, nehme mich als Einzelner wichtig. Dann definiere ich einen Anfang, ein Ende. Aber in dem Kampf, den ich führe, bin ich nur einer von vielen. Und dieser Kampf ist schon alt.

In „Black faces in white? space“ porträtieren Sie Schwarze Menschen, gereckte Klassenkampffaust inklusive. Sie tun das als Künstler, aber zugleich als politischer Aktivist. Oder täuscht das?

Nein, das ist richtig. Ich setze meine künstlerische Arbeit ein, um gegen den Rassismus zu kämpfen, den Schwarze Menschen erfahren.

Wer die Ausstellung betritt, liest Sätze wie: „Deutschland hat keinen politischen Willen, sich mit anti-Schwarzem Rassismus auseinanderzusetzen.“ Wer ist mit „Deutschland“ gemeint?

Die, die in Deutschland das Sagen haben. Die Regierung. Sie hat keine klare Programmatik, dem Rassismus entgegenzutreten, auch gesetzgeberisch. Es ist leicht, zu sagen: Ich bin Antirassist. Aber dem müssen auch Taten folgen.

Aus Ihrer Wortwahl spricht Zorn, Ihre künstlerischen Interventionen zielen auf Heilung. Ist das kein Widerspruch?

Ich sehe das nicht als Frustration. Es ist einfach ein Ist-Zustand, auch eine Forderung. Man kämpft gegen Drogen. Warum nicht auch gegen Rassismus? Die Schwarzen Menschen, die sich die Ausstellung ansehen, erhalten ein Signal: Ich bin nicht allein. Ich bin hier zu Hause. Ich bin ein Teil dieser Gesellschaft. Es gibt hier viele, die aussehen wie ich, in großer Vielfalt. Das stärkt, ermutigt.

Verarbeiten Sie auch eigene Diskriminierungserfah­rungen?

Ja, klar. Auch ich erfahre Diskriminierung, täglich. Oft sind es Kleinigkeiten, aber sie sagen viel. Ein Beispiel: Ich fahre Fahrrad, vor mir fährt eine weiße Frau. Sie schaut sich um, sieht mich, legt ihre Hand auf ihre Tasche. Oder: Ich bringe meine Kinder zum Spielplatz, stehe kurz in der Nähe des Fahrradständers, Leute kommen und schauen nach, ob ihr Rad abgeschlossen ist, sagen zu mir: „Das müssen Sie verstehen!“

Das Begleitprogramm startet mit der Performance: „Mokete wa badimo“. Was bedeutet der Titel?

Ritual für unsere Vorfahren. Eigentlich ist das gar keine Performance. Das ist eine sehr traditionelle, rituelle Zeremonie. Es gibt sie in sehr verschiedenen Formen. Hier geht es um Schwarze Menschen, deren Gebeine während der Kolonialzeit aus Afrika nach Deutschland gebracht und nie rücküberführt wurden. Diese Menschen konnten nie zur Ruhe kommen, sie wurden ja nie beerdigt. Wir nehmen symbolisch Kontakt zu ihnen auf. Allgemein geht es um den Umgang mit anderen Menschen und der Natur, um Respekt.

Sie leben in Berlin und Osnabrück, Menschen beider Städte haben Sie für die Ausstellung porträtiert. Nach welchen Kriterien suchen Sie sich Ihre Motive?

thabo tindi

geboren in Südafrika, ist Filmemacher, Schauspieler und Performancekünstler. Er lebt in Berlin.Seinen Namen schreibt er durchgängig in Kleinbuchstaben.

Das ist ganz einfach: Ich dokumentiere meinen Alltag – und den anderer Menschen. Wie diese Menschen sich darstellen, ist ihre ganz persönliche Sache. Ich zeige lediglich: Sie sind hier. Quer durch alle Altersschichten und Geschlechter, vom Professor bis zum Wohnungslosen. Meine Arbeit ist übrigens ganz unakademisch. Sie erschließt sich jedem.

Einige Fotos hängen in den Museumsfenstern, sodass die Porträtierten in den Stadtraum hinaussehen. Was soll das in den Passanten draußen bewirken?

Nicht Schwarze Menschen erkennen durch diese Ungewöhnlichkeit vielleicht: Rassismus ist in unserer Gesellschaft ein Problem. Schwarze Menschen, die die Bilder sehen, fühlen sich vielleicht ein bisschen stolz.

Kunst ist für Sie Kampf?

Ja. Ich müsste nicht kämpfen, aber ich tue es. Die Dinge müssen sich ändern.

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