piwik no script img

Ein Toter vergiftet Angolas Wahlen

Wenige Tage vor den Wahlen in Angola wirft Präsident João Lourenço der Familie seines Vorgängers Eduardo dos Santos vor, die Unita-Opposition zu finanzieren. Dos Santos starb im Juli in Spanien

Angola steckt in der Krise. Für die MPLA ist diese Wahl die schwierigste seit der Unabhängigkeit

Aus Luanda Pedro Agosto

Der Streit über Angolas verstorbenen Langzeitpräsidenten Eduardo dos Santos ist entschieden – aber nun spaltet er die Familie des Toten und verschärft die bereits angespannte Atmosphäre vor den Wahlen am 24. August.

Wie am Mittwoch bekannt wurde, beschloss das Oberste Gericht von Katalonien am Dienstag, dass der am 8. Juli im Alter von 79 Jahren in Barcelona verstorbene Ex-Präsident nach Angola überführt und dort beigesetzt werden soll. Dies entspricht den Wünschen der angolanischen Regierung sowie der Witwe des Toten. Dos Santos’ Kinder hatten ihn in Barcelona beisetzen wollen, da sie selbst im Exil leben und bei einer Rückkehr zur Trauerfeier nach Angola mit Festnahme rechnen müssten. Die Regierung hatte schließlich zugesagt, die Kinder in Ruhe zu lassen und Dos Santos erst nach den Wahlen in Angola beizusetzen, um die Trauerfeier aus dem Wahlkampf herauszuhalten. Nun aber wird gemäß dem neuen Gerichtsbeschluss die Leiche der Witwe übergeben, die sowieso immer eine Überführung ins Heimatland wollte und Ansprechpartnerin der angolanischen Regierung war, und die Kinder haben gar nichts mehr zu sagen.

Während die 44-jährige Tochter Welwitschia „Tchize“ dos Santos, die in Portugal lebt, jetzt neue gerichtliche Schritte unternehmen möchte und dos Santos’ Witwe „Mordversuch“ an ihrem Mann vorwirft, wird die Affäre um den Toten in Angola zum Wahlkampfthema.

Bei den Wahlen am 24. August muss sich die seit Angolas Unabhängigkeit 1975 regierende ehemals sozialistische Befreiungsbewegung MPLA (Angolanische Volksbefreiungsbewegung) unter Präsident João Lourenço gegen die Oppositionskoalition FPU (Vereinigte patriotische Front) behaupten. Zur FPU gehört auch die ehemalige Rebellenbewegung Unita (Nationale Union für die totale Unabhängigkeit Angolas), die bis 2002 gegen die MPLA-Regierung Krieg führte. Präsident Lourenço, dem Eduardo dos Santos 2017 das oberste Staatsamt übergeben hatte, wirft nun Unita vor, Geld von der Dos-Santos-Familie entgegengenommen zu haben. Er suggeriert damit, die Angehörigen seines Vorgängers wollten sich nun an ihm rächen, weil er als Präsident gegen die Korruption unter dos Santos und die Bereicherung von dessen Familie vorgegangen ist. Manche seiner Kinder sind unter seiner Präsidentschaft schwerreich geworden und hatten mächtige Posten in Angolas Wirtschaft inne; unter Lourenço haben sie diese verloren, manche sind ins Ausland gezogen.

„Sie [Unita] sagt, sie wolle die Korruption bekämpfen, aber sie essen vom Teller der Korrupten, die außer Landes geflohen sind!“, sagte Lourenço auf einer Wahlkampfveranstaltung. Unita-Generalsekretär ­Faustino Mumbika wies die Unterstellung zurück: „Diese Beziehung existiert nicht“, sagte er auf einer Pressekonferenz.

Für die MPLA ist diese Wahl die schwierigste seit Angolas Unabhängigkeit. Das Land steckt seit Jahren in einer schweren Wirtschaftskrise: Auf eine Schrumpfung von 5,4 Prozent im Jahr 2020 folgte ein Wachstum von lediglich 0,7 Prozent im Jahr 2021, und 1,58 Millionen Menschen im Südwesten Angolas leben in akuter Ernährungsunsicherheit nach der schwersten Dürre in vier Jahrzehnten.

Die MPLA-Regierung hat Maßnahmen getroffen, um sich trotzdem den Wahlsieg zu sichern. Laurinda Cardoso, Mitglied des MPLA-Zentralkomitees, wurde vor einem Jahr Präsidentin des Verfassungsgerichts, das die Wahlergebnisse validiert. Das Wahlgesetz wurde dahingehend geändert, dass die Stimmen nicht mehr auf lokaler Ebene in den Wahllokalen ausgezählt werden, sondern zentralisiert. Dies, sagen Kritiker, erleichtert Manipulationen bei der Erstellung der Ergebnisse und verhindert Transparenz.

Oppositionelle und zivilgesellschaftliche Gruppen bezweifeln daher korrekte Wahlen am 24. August. Nach Oppositionsangaben steckt das Wahlregister voller „Geisterwähler“, also Verstorbener – unter ihnen soll auch der historische Unita-Führer Jonas Savimbi sein, der 2002 im Bürgerkrieg getötet wurde und der erst 2019 im Rahmen einer ordentlichen Trauerfeier im Beisein seiner Familie beigesetzt werden durfte.

Präsident Lourenço hat dennoch saubere Wahlen zugesagt und die Bevölkerung zu Friedfertigkeit aufgerufen. „Glaubwürdige Mechanismen im System werden den Respekt für das Gesetz vor, während und nach den Wahlen sicherstellen“, sagte er auf einer Wahlkampfveranstaltung. Doch regierungsfeindliche Proteste in den Großstädten, meist von unzufriedenen Jugendlichen angeführt, haben in den vergangenen Jahren zugenommen, während die Lebensbedingungen der 33 Mil­lio­nen Menschen in Angola sich verschlechtern.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen