Klimagerechter Stadtumbau in Brandenburg: Stadtluft macht erfinderisch

Städte resilient zu machen ist auch ein Brandenburger Thema. Viele Kommunen sind auf einem guten Weg, zeigt eine Tagung des Städteforums Brandenburg.

Fahrradparkhaus aus Holz

Das Fahrradparkhaus in Eberswalde hat 600 Plätze und 60 Boxen Foto: Leitplan-GmbH

POTSDAM taz | Brandenburgisches Viertel, das klingt idyllisch. Tatsächlich aber stellte das Plattenbauviertel mit seinen 6.000 Wohnungen in Eberswalde die Politik vor ein Problem. „Zu DDR-Zeiten wurde die Infrastruktur so gebaut, dass das Regenwasser möglichst schnell abfließt“, sagt Anne Fellner, erste Beigeordnete der Stadt Eberswalde. „Nun aber verlangen die Trockenheit und die Klimakrise, dass wir das Wasser in der Stadt halten.“

Das Thema Schwammstadt ist also auch in der Kreisstadt des Barnim mit ihren 41.000 Einwohnerinnen und Einwohnern angekommen. Im Brandenburgischen Viertel wurden deshalb nicht nur die Wohnungen saniert, sondern auch die Infrastruktur. „Über die Hälfte des Wassers wollen wir im Gebiet halten“, sagt Fellner über das 5 Millionen Euro teure Vorhaben. „Das Problem ist nur, dass die Menschen wenig davon sehen.“ Hätte man mit dem Geld ein Bürgerzentrum gebaut, „wäre da mehr Hallo gewesen“.

Städte widerstandsfähig machen gegen Starkregen und Hitze, das zeigt das Beispiel aus Eberswalde, ist einerseits teuer, aber auch wenig spektakulär. Und dennoch ist es eine der wichtigsten Zukunftsaufgaben. Um sich über die verschiedenen Projekte auszutauschen, haben sich Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, Vertreter der Wohnungswirtschaft und andere kommunale Akteure vergangene Woche in Potsdam getroffen. „Stadtentwicklung in Brandenburg in Zeiten der Energie- und Klimakrise“ war die Fachtagung überschrieben, zu der das Städteforum Brandenburg eingeladen hatte, die größte Vereinigung von Kommunen im Land.

Schon viele Krisen erlebt

Starke Gewitter und Regenfälle haben in Berlin zu Absagen geführt. Am Freitag fiel das Konzert der Band Die Ärzte buchstäblich ins Wasser. Die Feuerwehr hatte zuvor vor schweren Gewittern und heftigem Starkregen gewarnt. Sie rief die Bevölkerung dazu auf, im Haus zu bleiben, Balkone freizuräumen und Stecker von Fernsehgeräten zu ziehen. Ein Sprecher sagte am späten Freitagnachmittag: „Wir haben rund 100 kleinere Einsätze etwa wegen vollgelaufener Keller." In Brandenburg konzentrierten sich die Einsätze auf den Landkreis Barnim und dort auf Wandlitz.Um in Zeiten von Klimawandel zukunftsfähig zu bleiben, braucht Berlin nach Einschätzung von Senatsbaudirektorin Petra Kahlfeldt eine „kritische Revision der bestehenden Stadt, um diese in eine nachhaltige Zukunft zu führen". Das müsse im Dialog mit der Bevölkerung geschehen. Kahlfeldt forderte daher den „seit Langem anstehenden" Rückbau überdimensionierter Verkehrswege wie Straßen oder Parkplätze auf stadtverträgliche Dimensionen. Konkret nannte die Senatsbaudirektorin überdimensionierte Autobahnzubringer oder den Spittelmarkt in Mitte. (wera)

„Die Städte resilient zu machen ist eine Daueraufgabe“, beschreibt Eberswaldes Beigeordnete Anne Fellner, die auch Vorstandsvorsitzende des Städteforums ist, die Herausforderungen, vor denen die Brandenburger Kommunen stehen. „Wir sind aber auch Optimisten“, betont sie. „Unsere Städte sind meistens sehr alt und haben schon viele Krisen überlebt.“

Eine dieser Krisen sei die Klimakrise, sagt André Benedict Prusa, Dezernent für Stadtentwicklung, Bauen und Umwelt in Frankfurt (Oder). Einen bereits in der Schublade liegenden Entwurf für die Sanierung der Magistrale, der Haupteinkaufsstraße der Oderstadt, will er deshalb auf den Prüfstand stellen. Weniger Verkehr, mehr flexible Räume zum Experimentieren will Prusa. Da müsse auch der Denkmalschutz mitziehen, fordert er. Denn die Magistrale steht als Zeugnis sozialistischer Nachkriegsmoderne (und damit auch autogerechter Stadtplanung) unter Denkmalschutz.

Auch an der Frankfurter Peripherie müssen lieb gewordene Zöpfe abgeschnitten werden. „Frankfurt ist sehr sentimental, wenn es um seine Obstbauern in Markendorf geht“, weiß Prusa. Aber auch die Obstbauern, von denen nur noch wenige tatsächlich Obst anbauen, müssen an ihre Zukunft denken. Nun hat die Stadt die Markendorf Obst-Genossenschaft dazu gebracht, auf einem Teil der Flächen Solaranlagen aufzustellen. Davon profitieren nicht nur die Flächeneigentümer, sondern auch die Haushälter mit Einnahmen von 20.000 Euro im Jahr.

Beispiele wie diese zeigen, dass es nicht den Königsweg zur resilienten Stadt gibt, weder in Berlin noch in der Mark. Dennoch hat das Städteforum fünf „Thesen zur klimagerechten Stadtentwicklung“ formuliert, zu der auch die soziale Stadtentwicklung gehört. Die dürfe nicht gegen den Klimawandel ausgespielt werden.

Das gilt auch für Eberswalde. Dort werden derzeit neue Nutzerinnen und Nutzer für ein leer stehendes Gebäude am Bahnhof gesucht. „Weil wir das Gebäude als Stadt selbst nicht brauchen, haben wir es im Rahmen eines Konzeptverfahrens ausgeschrieben“, sagt Anne Fellner. Eine Liegenschaftspolitik, die sich nicht nur am Stadtsäckel orientiert, ist also nicht mehr nur ein Berliner Thema.

Wer finanziert, wenn Klimagerechtigkeit die Heizkosten steigen lässt?

Allerdings müsse eine solche Vergabe an soziale Projekte gut begründet sein, betont Fellner und verweist auf die Haushaltsordnung. „Die sagt, dass der Verzicht auf Einnahmen im Grunde eine Ausgabe ist.“ Deshalb müsse eine Matrix erarbeitet werden, um die Bewerbungen von Baugruppen oder sozialen Projekten zu bewerten.

Die Herausforderungen, vor denen die Städte in Brandenburg stehen, kosten Geld. Das aber ist in vielen Kommunen nicht vorhanden. „Wir sind am Ende der Kette“, betonte Lübbenaus Bürgermeister Helmut Wenzel. „Wir können die Vorgaben nicht mehr nach unten weitergeben, sondern müssen sie umsetzen und dabei auch die Menschen mitnehmen.“

Das betreffe neben der Hitze und dem klimagerechten Umbau der Städte vor allem die Energie- und Versorgungssicherheit. „Es war ein großer Schritt für uns, als wir die Ofenheizungen abgeschafft haben und auf Fernwärme umgestellt haben“, sagt Wenzel. Nun müsse man wieder umstellen, von fossilen Energien auf erneuerbare Energien. In vielen Kommunen geht deshalb die Frage um, wie man klimagerechten Stadtumbau finanzieren will, wenn etwa die Heizkosten in den Schulen dramatisch steigen. Der Bund muss helfen, sind sich alle einig.

Abwärme vom Stahlwerk

In Hennigsdorf ist man schon ein Stück weiter. „80 Prozent der erzeugten Wärme stammen aus regenerativen Energien“, sagt Holger Schaffranke, Geschäftsführer der Hennigsdorfer Wohnungsbaugesellschaft HWG. Zugute kommen der Stadt dabei die großen Industriebetriebe wie Alstom und das Stahlwerk. Letzteres trägt mit Abwärme zur Wärmeversorgung in der Stadt bei. Und natürlich kann in Hennigsdorf, wo 9.000 Wohnungen der 10.000 Wohnungen von Schaffrankes HWG oder einer Genossenschaft bewirtschaftet werden, in großem Maßstab gedacht und gehandelt werden.

Auch im Brandenburgischen Viertel wird die Wärmewende vorangetrieben. Dort wird nicht mehr mit Gas geheizt, sondern mit Pellets. Und auch sonst hat sich Eberswalde, mit der Hochschule für nachhaltige Entwicklung ohnehin eine grüne Stadt, einiges einfallen lassen: eines der größten Fahrradparkhäuser Brandenburgs zum Beispiel. „So können wir den Bahnhof als Umsteigepunkt auf den öffentlichen Nahverkehr stützen und gleichzeitig die Umwelt entlasten“, hatte Infrastrukturminister Guido Beerman (CDU) zum Baustart gesagt.

Auch sonst gehört Eberswalde zu den innovativen Städten in Brandenburg. Weil die Stadt kein Geld für die Sanierung des Dachs einer Turnhalle im Haushaltsplan hatte, wurde das Dach an eine Bürgerenergie-Genossenschaft vergeben. Die sanierte das Dach, baute ein Solardach und versorgt die Turnhalle mit Solarstrom. Darüber hinaus kann sie den produzierten Strom verkaufen. „Für uns als Stadt wäre das komplizierter, weil wir als Kommune keinen Strom verkaufen dürfen“, betont Anne Fellner.

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