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Kino einmal wirklich für alle

Das „Klappe Auf!“-Kurzfilmfestival in Hamburg ist konsequent barrierefrei

5. „Klappe Auf!“-Kurzfilm­festival, 26. 8., ab 18 Uhr, 27. und 28. 8. ab 12 Uhr, Metropolis, Hamburg,

Party mit Verleihung des Teampreises am 27. 8., 21 Uhr im Schrødingers, Schröderstiftstr. 7 Hamburg.

Von Wilfried Hippen

Blinde können den Film hören, Hörbehinderte werden in Untertiteln auch über seine akustischen Signale und Stimmungen informiert. Roll­stuhl­fah­re­r*in­nen können selbstständig den Kinosaal erreichen. Programme sind auch in Brailleschrift und einfacher Sprache gedruckt. Für hochempfindliche Zu­schaue­r*in­nen gibt es Triggerwarnungen vor angstauslösenden Filmsequenzen. Auch vor Flicker-Effekten, die Anfälle auslösen könnten, wird vorher gewarnt. Dies klingt wie die Utopie eines auf allen Ebenen barrierefreien Kinos – aber sie ist schon verwirklicht worden.

Seit 2013 gibt es in Hamburg das Kurzfilmfestival „Klappe Auf!“, und Festivalgründer Andreas Grützner sieht es als seine Mission an, es so inklusiv wie möglich zu organisieren. Das zweijährig veranstaltete Festival hat bundesweit eine Vorbildfunktion, und so beraten er und Mitglieder seines Teams inzwischen auch andere Filmfestivals bezüglich möglicher und nötiger Schritte hin zum barrierefreien Kino.

Diese sind organisatorisch und auch finanziell große Herausforderungen. Grützner kann sie nur darum stemmen, weil das Festival von der „Aktion Mensch“, also durch Lotterieeinnahmen, finanziert wird. Schirmherr ist der wohl bekannteste Hamburger Filmemacher Fatih Akin.

Publikumsgespräche werden simultan in Gebärdensprache übersetzt

Um die 34 Kurzfilme im Programm barrierefrei präsentieren zu können, muss jeder im SDH-Format untertitelt werden, das auf die Bedürfnisse von Hörbehinderten zugeschnitten ist. Für Blinde wird eine Audiodeskription, also eine akustische Bildbeschreibung erstellt. Das ist besonders aufwendig: In der Berliner Firma Audioskript erarbeitet ein Team von Autor*innen aus jeweils einer blinden und einer sehenden Person ein Skript, in dem der Film möglichst umfassend beschrieben wird. Auf dem Festival werden diese Texte dann live und synchron eingesprochen.

Versendet wird die entsprechende Tonspur über eine temporär fürs Festival verlegte Induktionsschleife. Außerdem werden Publikumsgespräche live auf der Bühne in Gebärdensprache übersetzt sowie von Schrift­dol­m­et­sche­r*in­nen aufgeschrieben und an die Leinwand projiziert. Nur die Sprachbarriere konnte bei „Klappe Auf!“ bisher noch nicht eingeebnet werden: Filme aus nicht deutschsprachigen Ländern werden daher nur dann ausgewählt, wenn sie ohne Dialog auskommen.

Auch bei der Zusammenstellung des Festivalteams wird auf Inklusion geachtet. Für die Programmauswahl und bei anderen Entscheidungsprozessen ist ein zwölfköpfiges Kollektiv verantwortlich, in dem Behinderte und Nichtbehinderte gleichberechtigt, also ausdrücklich auch bei gleicher Bezahlung, zusammenarbeiten. Für das Festival wurden über 2.500 Filme eingereicht. Die Vorauswahl wurde von Zweier­teams geleistet, in denen zum Beispiel eine Person mit Lernbehinderung mit einer ohne Beeinträchtigung zusammenarbeitete. Bei den Programmsitzungen wurde dann mit Stimmkarten abgestimmt, sodass auch rhetorisch nicht so versierte Teil­neh­me­r*in­nen gleichwertig mitentscheiden konnten.

Beim Festival gibt es zwar ein Sonderprogramm mit Filmen zum Thema Tourette, aber davon abgesehen sind Grützner und sein Team so klug, nicht auf Filme zu fokussieren, die Inklusion, Diversität oder Barrierefreiheit inhaltlich verhandeln. Stattdessen gibt es fünf Wettbewerbsprogramme, in denen die Kurzfilme gezeigt werden, die ganz einfach dem Festivalteam am besten gefallen haben. Die Jurys sind dann jeweils auch mit einer nicht sehenden und einer nicht hörenden Person besetzt. Konsequenter durchdacht und ausgeführt kann ein barrierefreies Filmfestival kaum sein.

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