Wer tötete Darja Dugina?

Russlands Geheimdienst will die Auftragskillerin von Imperialismus-Ideologin Darja Dugina ausgemacht haben. Derweil bekennt sich eine andere Gruppe zu dem Attentat

Russische Ermittlungen: Kaum begonnen, schon Ergebnisse Foto: Fo­to:­Itar-Tass via imago

Aus Moskau Inna Hartwich

Ziemlich schnell hat der russische Inlandsgeheimdienst FSB den Tod von Darja Dugina „aufgeklärt“, den er offenbar nicht so einfach verhindern konnte. Die Tötung Darja Duginas sei von ukrainischen Geheimdiensten „vorbereitet und begangen“ worden. Ausgeführt habe die Tat eine ukrainische Staatsbürgerin, die im Anschluss der Tat nach Estland ausgereist sei.

Die Verdächtige Natalja W., Jahrgang 1979, habe eine Wohnung in dem Gebäude gemietet, in dem Dugina, eine radikale Verfechterin des Krieges gegen die Ukraine und Tochter des russischen Ultra-Nationalisten Alexander Dugin, lebte, und sie beschattet.

Kiew wies bereits am Sonntag eine Beteiligung an dem mutmaßlichen Anschlag zurück. „Die Ukraine hat natürlich mit der gestrigen Explosion nichts zu tun, weil wir kein krimineller Staat sind – wie die Russische Föderation – und schon gar kein Terrorstaat“, so Präsidentenberater Mychajlo Podoljak.

Kurz nach der Nachricht vom gewaltsamen Tod Duginas hatte sich hingegen jemand anderes zu der Tat bekannt. Ilja Ponomarjow war einst Duma-Abgeordneter in Russland, stimmte 2014 als Einziger im Parlament gegen die russische Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim, verlor später wegen konstruierter Betrugsvorwürfe seine Immunität und floh in die Ukraine. Sein erklärtes Ziel ist es, Putin aus dem Kreml zu jagen. In seiner Youtube-Sendung „Februarmorgen“ liest er also vor: „Wir, die Partisanen der Nationalen Republikanischen Armee, erklären Beamte der Regierung der Russischen Föderation und regionaler Verwaltungen zu Komplizen des Usurpators Wladimir Putin. Sie werden von uns vernichtet.“ Auch Unternehmer, die ihr Geld durch Korruption verdienen und Sicherheitskräfte würden „vernichtet.“

Es seien diese Partisanen, so sagt es Ponomarjow, die sich zum Anschlag auf Dugina bekennen: als Rache für den Tod von 50 ukrainischen Asow-Kämpfern, die vor wenigen Wochen in einem Kriegsgefangenenlager im besetzten Teil der Ukraine mutmaßlich in die Luft gesprengt worden waren.

Ponomarjows Ausführungen wirken ungereimt. Er will sich zwar als Stimme der Partisanen sehen, aber kein Teil der Gruppe sein. Im Manifest, das er Wort für Wort vorliest, werden zwar Georgien und Syrien erwähnt, die Ukraine allerdings explizit nicht. Das Schreiben hört mit den Worten auf: „Lasst uns unsere Heimat vom Schmutz befreien! Der Sieg wird unser sein!“

Es sind dieselben Sätze, die russische Kriegs­trei­be­r*in­nen und Pro­pa­gan­dis­t*in­nen verwenden, um Russlands menschenverachtenden Angriff auf die Ukraine wie auch die Repressionen im eigenen Land zu rechtfertigen.

Die russische Opposition zweifelt an der Echtheit der Gruppe und den Ausführungen Ponomarjows und sieht im Auftauchen des angeblichen Manifests eher einen Vorwand des russischen Geheimdienstes FSB, weiter gegen russische Ak­ti­vis­t*in­nen vorzugehen.

Wären es ukrainische Geheimdienstler, so müsste sich Moskau fragen, wie gut russische Sicherheits­behörden eigentlich arbeiten

Der Anschlag, der höchstwahrscheinlich Duginas Vater gegolten hat, zeigt mit und ohne die ominöse Partisanengruppe auf wunde Stellen des Regimes. Wären es ukrainische Geheimdienstler, wie Russland das darstellt, so müsste sich Moskau fragen, wie gut russische Sicherheitsbehörden eigentlich arbeiten. Die blutige Tat ereignete sich nicht weit von der Gegend entfernt, in der höchste russische Funktionäre leben.

Möglich erscheint russischen Be­ob­ach­te­r*in­nen auch eine Art Abrechnung innerhalb der russischen Elite, die eine noch härtere Gangart des Kremls in der Ukraine wünschen. Zudem zeigt der Anschlag auch Russ*innen, die glauben, der Krieg gehe sie nichts an, wie nah dieser ist.

Alexander Dugin gilt als einer der wahrnehmbarsten Köpfe des eurasischen Imperialismus und sieht Russland, wie das auch der Kreml tut, als Zentrum einer einzigartigen Zivilisation. Um diese zu bewahren, sei Expansion – auch mit Gewalt – legitim. Seine Tochter, die auch als Dugins Pressesprecherin tätig war, trug seine monströsen Vorstellungen unbeirrt weiter.

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