kunstraum
: Wache Blicke im Späti

Eine von fünf Videoherbergen: der Späti in der Krumme Straße in Charlottenburg Foto: Francis Kussatz

In Rheinland und Ruhrgebiet heißen sie Kiosk oder Büdchen, in Berlin – ganz ähnlich zum Tschechischen Abendladen – Späti, was kurz für Spätkauf ist. In jedem Fall fühlen sich Städte ohne Späti leer an, so als seien sie abends für öffentliches Leben geschlossen. Ein bisschen wie eine Stadt ohne Projekträume sich leer anfühlt, so als sei die Kunst nur bestimmten Klassen vorbehalten. In Berlin, der Stadt der Projekträume, sind Spätis sowieso die Rettung: da, wo sich viele die Drinks nicht mehr leisten können, gibt es im Späti noch was zu trinken, das man in den Park tragen oder auf dem Bürgersteig snacken kann. Und immer öfter auch auf ein paar Bierbänken vor der Tür. Manchmal wird warmes Essen angeboten oder ein Anruf ins Internet.

Eine Stadt mit Spätis beruhigt die subkulturelle Seele. Da, wo es Spätis gibt, ist kei­ne:r allein. In Spätis kriegen Künst­le­r:in­nen Pappmaterial für ihre Arbeit geschenkt. Und gelegentlich stellen sie in Spätis Videos aus. Dieser Tradition folgt nun das CCCCCOMA Kollektiv mit seinem Beitrag zum Project Space Festival.

CCCCCOMA arbeitet am wandernden Ort zum Thema Kommunikation, oder der Abwesenheit dieser, im öffentlichen Raum. Da wo sonst digitale Werbebanner ihre Bahnen ziehen, nämlich auf den senkrechten Bildschirmen von Spätis und kleinen Geschäften, zeigt nun der von Linda Peitz kuratierte Beitrag „CCCCCOMA Commercials. I came in here for a special offer“ Videoarbeiten von Heiner Franzen, Kerstin Honeit, Artor Jesus Inkerö, Francis Kussatz, Bjørn Melhus und Vitalii Shupliak. Mit Trinkquellen an jedem Ort schafft man es an keinem Festivaltag lockerer von Charlottenburg durch Schöneberg über Mitte nach Kreuzberg und bis Neukölln, dem Bezirk, wo sonntägliche Verstöße gegen das Ladenschlussgesetz im Gegensatz zu anderen Bezirken regelmäßig kontrolliert werden. Auch hierin zeigt sich die Stadt der Klassen. Vielleicht taucht dieses Thema ja in den Arbeiten auf, die Konsum und wirtschaftliche Interessen im städtischen Raum benennen, die Einbeziehung und Ausgrenzung von Menschen und Körpern in der Stadtgesellschaft, aber auch die soziale Utopie.

CCCCCOMA beim Project Space Festival 22 ganztägig am 11. 8., 19.30 Uhr Eröffnung / 20 Uhr Performance von Francis Kussatz, Spätkauf Krumme Str. 41,; Weitere Orte: The City Kiosk, Hauptstr. 160; The Market, Torstr. 139; 9 to 6 Drinkshop, Köpenicker Str. 1; Spätkauf 178, Hermannstr. 178

Noemi Molitor