Fußball-Influencer Nader El-Jindaoui: Sieger der Kommerzen

Ein Testspiel zwischen Hertha BSC II und Tasmania Berlin musste abgebrochen werden. Grund waren die Fans – des Influencers Nader El-Jindaoui.

El-Jindaoui bei einem Testspiel für Hertha II

Der Influencer El-Jindaoui wirbelt einiges durcheinander bei Hertha Foto: Matthias Koch/imago

BERLIN taz | Platzstürme sind für Fußballfans das Mittel der Wahl für die ganz großen Momente ihres Vereins. Ob aus Frust oder Freude, im Platzsturm soll sich symbolisch ein Stück vom „echten Fußball“ zurückgeholt werden, den viele Fans schon für immer an den Kommerz verloren glaubten. Dass die Motivation von Platz­stür­me­r:in­nen aber auch eine ganz andere sein kann, zeigten am Samstag die Fans von Influencer Nader El-Jindaoui, derentwegen das Testspiel der zweiten Mannschaft von Hertha BSC gegen Tasmania Berlin kurz vor Schluss überraschend abgebrochen werden musste, weil Hunderte El-Jindaoui-Ultras das Spielfeld stürmten und den Amateurspieler belagerten.

El-Jindaoui, der zu dieser Saison innerhalb der Regionalliga Nordost zur Berliner Hertha gewechselt ist, folgen auf Instagram über 1,6 Millionen Menschen. Gemeinsam mit seiner Frau betreibt er einen Youtube-Kanal, auf dem sie das Leben der Jindaouis mit ihrer gemeinsamen Tochter und Naders kleiner Schwester rund um die Uhr dokumentieren. Den Inhalt der Videos, in denen der Alltag der Familie gezeigt wird, würden viele Zu­schaue­r:in­nen wohl als „wholesome“ bezeichnen. Wenn man stattdessen zur deutschen Übersetzung des Wortes, „erbaulich“ oder „heilsam“, gegriffen hätte, wäre damit schon der Beweis erbracht, dass man nicht zur demografischen Zielgruppe der Jindaouis gehört. In den Videos jedenfalls kann man einen authentischen Einblick in den Alltag der Familie gewinnen.

Dass diese Videos eher jüngere Zuschauer ansprechen, konnte auch am Samstag beobachtet werden. Im Gegensatz zum beim Fußball eher üblichen krawalligen Auftreten meist männlicher Zuschauer jenseits der 20, waren nach hochseriösen Augenmaßschätzungen hauptsächlich Kinder zwischen fünf und fünfzehn Jahren auf den Rasen gerannt, um den Amateurfußballer zu umschwärmen. Die von El-Jindaoui freundschaftlich häufig als „falsche Fuffis“ bezeichneten Fans versuchten Autogramme und Selfies mit ihm zu ergattern, was über den Twitter-Account der gegnerischen Tasmania zunehmend entnervt kommentiert wurde.

Dabei sorgte der El-Jindaoui-Hype nicht nur für Überlastung der Hertha-Infrastruktur auf dem Fußballplatz, wo laut Sport-Geschäftsführer Fredi Bobic bald zusätzliche Ord­ne­r:in­nen aushelfen sollen: Auch im digitalen Raum entstanden Probleme, als der Verkaufsstart von El-Jindaouis Trikot vorletzte Woche den Onlineshop der Hertha zeitweise zusammenbrechen ließ. Nicht schaden wird dem Klub, dass das El-Jindaoui-Trikot schon jetzt zu den drei meistverkauften des Vereins zählt.

Den Inhalt der Videos mit dem Familienalltag des Influencers würden viele Zu­schaue­r:in­nen wohl als „wholesome“ bezeichnen

Das Endergebnis des Spiels am Samstag, das Hertha mit 3:1 gewann, war am Ende natürlich nur Nebensache. Wohl nicht mal ein Kantersieg Tasmania Berlins hätte den Jindaoui-Ultras den Tag versauen können. Dabei bietet der Influencer mit seinen Alltagvideos seinen Followern etwas, das dem modernen Profi-Fußball (und besonders der Hertha) fußballkulturell immer wieder abgesprochen wird: Authentizität.

Dass diese Art von Authentizität allerdings der Kommerzialisierung des Fußballs nicht zwingend entgegensteht, beweist nicht nur Jindaoui, der mit Videos wohl mehr Geld als bei Hertha verdient, sondern ebenso die Nachwuchs-Platzstürmer:innen, die für Kontakt zu Jindaoui über Banden kletterten – und wohl auch künftig Tickets und Trikots kaufen.

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