Der Patriarch wird abserviert: Hannover 96 schmeißt Kind raus

Der Vereinsvorstand von Hannover 96 hat Martin Kind entlassen. Der will sich wehren, doch hoffentlich bleibt der Verein standhaft.

Martin Kind

Bei Hannover 96 rausgeschmissen: Martin Kind Foto: Swen Pförtner/dpa

Nur zwei kurze Sätze, frei von Emotionen, waren es, die der Vorstand von Hannover 96 am Mittwochabend in einer Mitteilung verschickte. Doch gerade diese betonte Nüchternheit machte deutlich, wie groß das ist, was sich der ­Fußballverein gerade getraut hat zu tun: „Martin Kind wurde als Geschäftsführer der Hannover 96 Management GmbH mit sofortiger Wirkung aus wichtigen Gründen abberufen. Die Gremien werden zeitnah über die Neubestellung der Geschäftsführung entscheiden.“ Zwei Sätze – und damit ist klar: Nach vielen Jahren scheint es der Sportverein endlich geschafft zu haben, sich aus den Fängen seines reichen Patriarchen zu lösen.

Es ist nun ein Vierteljahrhundert her, dass Kind die Kontrolle über den Sportverein übernahm. Damals war der Verein sportlich an einem Tiefpunkt angekommen: Im Jahr zuvor, es war das Jubiläumsjahr der Vereinsgründung, stieg Hannover 96 in die drittklassige Regionalliga ab. Der direkte Wiederaufstieg misslang – und nach einigen Turbulenzen übernahm zur Zufriedenheit aller Kind den Posten des Vereinspräsidenten.

Und damit begann ein steiler Aufstieg: Der Verein war bald wieder erstklassig; das alte Niedersachsen-Stadion wurde komplett modernisiert und war Austragungsort einer Weltmeisterschaft; Anfang des vorigen Jahrzehnts gab es erfolgreiche Teilnahmen an internationalen Wettbewerben. Kurz: Unter Kind hatte der Verein sportlich goldene Jahre.

Doch die Dankbarkeit, die ihm entgegengebracht wurde, ließ mit zunehmendem Erfolg nach. Nicht mehr alles, was der Patriarch bestimmte, passte vielen Mitgliedern. Denn Kind wollte einzig und allein die Macht – und er wollte das „Produkt“ immer weiter kapitalisieren. Deshalb sollte die Verantwortung über den Profifußball nicht mehr in den Händen des demokratisch gewählten Vereinsvorstands liegen, sondern in den Klauen jener, die das größte Scheckbuch haben. Kind steht stellvertretend für die Hyperkommerzialisierung im Profifußball, die den Sport innerhalb kurzer Zeit umfassend zum Spielball weniger Reicher gemacht hat.

Letzte Schlacht eines alten Mannes

Wer sich in Hannover dagegen wehrte, hatte es schwer. Kind wedelte einfach mit zusätzlichem Geld oder drohte an, keinen Cent mehr in den Klub zu stecken. Es sorgte für einen breiten Riss im Verein und bei den Fans, die Drohungen wirkten über lange Zeit.

Die Ära Kind ist mit dem knallenden Rausschmiss am Mittwoch nicht beendet – es ist wohl eher der Beginn des letzten Kapitels. Das Nachbeben wird sicher noch andauern. Kind wehrt sich bereits gegen seine Demontage. Vielleicht will der alte Mann doch noch mal eine letzte große Schlacht schlagen.

Das liegt auch am System, das er bei Hannover 96 im Laufe der Jahre installiert hat. Die Profifußballer sind in ein Unternehmen ausgegliedert, andere Geschäftsbereiche ebenso. Und über diese Unternehmen hat der Verein nicht die volle Kontrolle. Vermögende Gesellschafter, eben wie ein Martin Kind, sprechen noch ein Wort mit.

„Kind muss weg“, so lautet seit vielen Jahren die Parole aktiver Fußballfans – und vieler Mitglieder im Verein. Wenn sich die Mitglieder nun nicht noch einschüchtern und spalten lassen, werden sie diesen letzten Konflikt gewinnen, auch wenn das manche schwere Verluste nach sich ziehen wird. Aber es würde sich lohnen, denn es hieße dann endgültig: Kind ist weg.

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Jahrgang 1991, hat Politik und Geschichte in Göttingen, Bologna und Hamburg studiert. Von 2020 bis August 2022 Volontär der taz nord in Hamburg, seither dort Redakteur und Chef vom Dienst. Schreibt meist über Politik und Soziales in Hamburg und Norddeutschland.

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