„Keiner von uns möchte diese Mücke haben“

Die Tigermücke muss weg, bevor sie sich ausbreitet. Aber was heißt das für andere Arten und für den Gartenteich? Wir haben die Insektenexpertin Doreen Werner gefragt

Eine Tiger­mücke wurde in einem Kleingarten in Treptow nachgewiesen Foto: Gustavo Amador/dpa

Interview Claudius Prößer

taz: Frau Werner, wie gefährlich kann die Asiatische Tigermücke für uns werden?

Doreen Werner: Aus zahlreichen Studien wissen wir, dass die Asiatische Tigermücke über 20 verschiedene Krankheitserreger übertragen kann. Wenn wir nun einen Reiserückkehrer, der sich in den Tropen mit dem Dengue- oder Chikungunya-Virus infiziert hat, mit dieser Mücke zusammenbringen, kann es zur Übertragung dieser Erreger auf die Mücke kommen – und die Mücke ist in der Lage, diese Erreger weiterzugeben.

Das klingt nicht gut, und der Senat ruft nun auch zur Bekämpfung der Mücke auf. Aber kann man eine einzelne Mückenart bekämpfen? Richtet sich das nicht generell gegen­ Mücken, vielleicht sogar andere Insekten?

Die Asiatische Tigermücke ist eng an urbanen Lebensraum, also den Wohnbereich des Menschen, gebunden. Hier besiedelt sie kleinste Wasserbestände wie Untersetzer von Blumentöpfen, Gießkannen, Vasen, die draußen stehen, oder auch Regentonnen. In diesen kleinen Wasseransammlungen kann man nun ganz gezielt ein toxisches Eiweiß des Bacillus thuringiensis israelensis einsetzen. Das sollten die Experten tun, aber jeder einzelne Mensch kann dafür sorgen, dass es weniger von diesen Brutstätten gibt. Wenn man nun zügig mit der Bekämpfung anfängt und nicht wartet, bis die Tigermücke sich ausgebreitet hat, kann man sie möglicherweise noch gut unter Kontrolle bekommen.

Aber dieses Toxin tötet doch auch andere Mücken, oder?


Ja, wenn man die Bruthabitate der Tigermücke bekämpft, trifft das sicherlich auch die Gemeine Hausmücke, die in Deutschland flächendeckend verbreitet ist, zu. Aber Mücken haben ein sehr gutes Fortpflanzungsschema, und wir können sicher sein, dass diese Mücke den Weg zurück finden wird.

Ich frage, weil die Bekämpfung von Insekten immer in die ökologischen Kreisläufe eingreift. Sie sind ja Nahrung für viele andere Tierarten.


Das ist richtig, Mücken in ihrer Gesamtheit stellen einen wesentlichen Faktor im ökologischen Gefüge dar. Aber ich kann Ihnen versichern, dass keiner von uns die Asiatische Tigermücke haben möchte. Ich möchte nicht diejenige sein, die Dengue oder Chikungunya bekommt oder einen Todesfall in der Familie zu beklagen hat. Und dabei bin ich überhaupt kein Freund von Panikmache. Die Wahrscheinlichkeit einer Übertragung ist in Deutschland derzeit noch relativ gering, aber nicht bei null. Von daher ist eine Bekämpfung wirklich anzuraten. Wo sich die Tigermücke entwickelt, also in künstlichen Kleingewässern im Siedlungsbereich, kommen bei fachgerechter Bekämpfung keine anderen Insekten zu Schaden. Und das Toxin wirkt tatsächlich nur bei Larven aus der Gruppe der Mücken.

Nachgewiesen wurde die Tigermückenpopulation in einem Kleingartenverein. Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass viele Gartenteiche ernst zu nehmende Biotope sein können. Müssen die jetzt trockengelegt werden?


Gartenteiche sind von der Bekämpfung überhaupt nicht betroffen. In denen gibt es so viele natürliche Gegenspieler der Mückenlarven, etwa räuberisch lebende Insekten wie Libellen oder auch andere Insektenlarven, dass sie schon für die Reduktion der Mücken sorgen. Und wenn auch noch Frösche oder Fische darin zu finden sind, haben Mückenlarven überhaupt keine Chance.

Foto: ZALF

Doreen Werner

Insekten-Expertin, Spezialistin für blutsaugende Diptera, vulgo: Mücken. Forscht am Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung in Müncheberg.

Überlebt nicht ein gewisser Anteil der Mücken trotzdem? Sonst würden die Mücken ja – platt gesagt – keine Eier mehr in Teichen ablegen.


Im Gartenteich sind Mücken Teil des Nahrungsnetzes und tragen dazu bei, andere Insekten oder andere Tierarten mit Futter zu versorgen. Daher weichen sie auch auf andere Bruthabitate aus, in denen keine natürlichen Fressfeinde auftreten, nämlich die besagten Kleinst­ansammlungen von Wasser.

Nachgewiesen wurde die Tigermücke in Treptow. Sollte die Bekämpfung trotzdem stadtweit stattfinden?

Das A und O ist jetzt das Auffinden der Populationen. Dazu dient unser Citizen-Science-Projekt „Mückenatlas“, bei dem interessierte Bürger eingeladen sind, uns Stechmücken zuzuschicken. Wenn wir darüber Hinweise finden, dass sich die Tigermücke an einem Ort etabliert hat, führen wir als Wissenschaftler ein kleinräumiges Stechmücken-Monitoring durch: Hat sich die Mücke wirklich dort angesiedelt? Lassen sich mehrere Entwicklungsstadien finden? Dann kommunizieren wir das den Behörden, und die Bekämpfung wird in Gang gesetzt.