Staatsbeteiligung gegen Preisanstieg

Gas-Importeure stehen unter Preisdruck. Die Ampelregierung will ihnen mit Geld und neuen Regeln unter die Arme greifen

Soll wegen der Gaskrise länger laufen: Kohlekraftwerk Scholven bei Gelsenkirchen Foto: Martin Meissner/ap

Aus Berlin Malte Kreutzfeldt

Die Bundesregierung will kriselnden Gaskonzernen staatlich helfen, und zwar ziemlich schnell: Am Dienstag hat das Kabinett eine entsprechende Änderung des Energiesicherungsgesetzes beschlossen, schon am Freitag sollen Bundestag und Bundesrat diese auf ihren letzten Sitzungen vor der Sommerpause verabschieden. Die Eile hat einen Grund: Ohne neue Hilfsmaßnahmen drohten Gas-Importeuren „finanzielle Schieflagen bis hin zu Insolvenzen“, heißt es in einem Dokument aus dem Wirtschafts­ministerium. Minister Robert Habeck drückte es am ­Dienstag etwas zurückhaltender aus. „Die Lage am Gasmarkt ist angespannt“, sagte er. „Und wir können eine Verschlechterung der Situation leider nicht ­ausschließen.“

Grund für die Probleme sind die verminderten Gaslieferungen aus Russland. Durch die Pipeline Nord Stream 1 kommen seit drei Wochen nur noch 40 Prozent der üblichen Mengen. Das fehlende Gas können die Importeure derzeit zwar anderswo am Markt beschaffen. Doch statt der vergleichsweise günstigen Preise aus den alten, längerfristigen Verträgen müssen sie nun die Spotmarkt-Preise bezahlen – und die liegen aktuell etwa fünfmal so hoch wie vor einem Jahr.

Diese gestiegenen Einkaufspreise können die Importeure aber in vielen Fällen nicht direkt an ihre Kunden weiter­geben, wenn diese nämlich längerfristige Verträge haben, die kurzfristige Preisanpassungen ausschließen. Beim Energiekon­zern Uniper, der zu den großen Importeuren gehört, sind die dadurch auflaufenden Verluste so groß, dass ihm bereits staatlich abgesicherte Kredite der KfW-Bank von bis zu 2 Milliarden Euro angeboten wurden.

Die Änderung des Energie­sicherungsgesetzes soll nun weitere staatliche Hilfen ermöglichen, unter anderem eine direkte Beteiligung des Staates an den kriselnden Unternehmen. Dafür sollen im Energiesektor ähnliche Regeln geschaffen werden wie für Unternehmen, die während der Coronakrise staatliche Hilfe in Anspruch genommen haben, etwa die Flug­gesellschaft Lufthansa: Die Regeln für die Aufnahme von zusätzlichem Eigenkapital, das den Staat zum Miteigentümer machen würde, werden erleichtert. Ob im Gegenzug für die Staatshilfe auch hier ein Verbot von Bonus­zahlungen und Dividenden-Ausschüttung vorgeschrieben wird, soll jeweils im Einzelfall ausgehandelt werden, hieß es.

Im Bundeswirtschaftsministerium besteht die Hoffnung, dass die staatlichen Hilfen für die Importeure dafür sorgen, dass kurzfristige Preisanpassungen für Endkunden außerhalb der bestehenden Verträge nicht nötig sein werden. Falls sie doch erforderlich sind, sollen sie möglicherweise anders verteilt werden als bisher geplant.

Erst kürzlich war im Gesetz die Möglichkeit geschaffen worden, dass Gasversorger ihre gestiegenen Einkaufskosten an ihre jeweiligen Kun­d*in­nen weitergeben, wenn der Bund eine entsprechende Regelung in Kraft setzt. Nun wird alternativ ein weiteres Verfahren eingeführt, bei dem diese Mehrkosten in Form einer Umlage an alle deutschen Gas­kun­d*in­nen weitergeben werden können – unabhängig davon, wer ihr Versorger ist. Statt starker Preisanstiege für manche Kun­d*in­nen und stabiler Preise für andere würde das zu geringeren Steigerungen für alle führen. Wovon es abhängt, welches Verfahren zum Einsatz kommt, blieb zunächst offen.

Mit der Gesetzesänderung soll es den Unternehmen im Gegenzug verboten werden, aufgrund der gestiegenen Beschaffungskosten die Belieferung ihrer Kun­d*in­nen einfach einzustellen. Das ist künftig nur nach ausdrücklicher Genehmigung durch die Bundesnetzagentur zulässig, heißt es im Gesetzesentwurf.

„Wir können eine Verschlechterung der Situation leider nicht ausschließen“

Robert Habeck, Wirtschaftsminister

Möglich ist die extrem kurzfristige Umsetzung, weil die entsprechenden Änderungen an das Gesetz zum längeren Einsatz von Kohlekraftwerken angehängt werden, das am Freitag ohnehin zur finalen Abstimmung in Bundestag und Bundesrat vorgesehen ist. Auch in diesem Gesetz, das die Nutzung von Gaskraftwerken verringern soll, gab es im Vergleich zur ursprünglichen Fassung noch einige Änderungen.

So wird festgelegt, dass zunächst Steinkohlekraftwerke zum Einsatz kommen sollen, um Gaskraftwerke zu ersetzen. Erst wenn deren Kapazität nicht ausreicht, sollen die noch klimaschädlicheren Braunkohlekraftwerke genutzt werden; zudem sind dabei die Auswirkungen auf die Trinkwasserversorgung zu berücksichtigen.

Daneben soll das Wirtschaftsministerium bis 2024 Vorschläge vorlegen, wie die zusätzlichen Emissionen durch den Umstieg auf Kohlekraftwerke kompensiert werden können.