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Nach Brand in Berlin-KreuzbergVerschleppung rechtmäßig

Der Bezirk ist machtlos: Zweieinhalb Jahre nach einem Brand in Berlin-Kreuzberg können Mieter nicht in ihre Wohnungen zurück.

Seit zweieinhalb Jahren nocht nicht fertig saniert: Brand in der Graefestraße im Januar 2020 Foto: privat

Berlin taz | Seit zweieinhalb Jahren können viele Mie­te­r*in­nen der Graefestraße 13 in Kreuzberg nicht in ihre Wohnungen zurück. Im Januar 2020 hatte es dort gebrannt, Bewohner*in­nen mussten überstürzt ausziehen – und die Brandschäden sind noch immer nicht vollständig beseitigt.

Baustadtrat Florian Schmidt (Grüne) ging von einer bewussten Verschleppung und einem „extremen Beispiel durch Spekulation“ durch den Münchener Eigentümer und dessen Hausverwaltung aus – mutmaßlich um die Wohnungen zu entmieten und günstige alte Mietverträge mit neuen zu ersetzen. Die Bezirskverordnetenversammlung beschäftigte sich mit dem Fall, und zuletzt forderten die Linken-Abgeordneten Gaby Gottwald und Pascal Meiser das Einschreiten der Wohnungsaufsicht.

Die war nun am Mittwoch vor Ort, um den Baufortschritt zu kontrollieren, und stellte fest, dass es keine Rechtsgrundlage für ein Eingreifen gebe. Bei der Begehung seien in allen Wohnungen Sanierungsarbeiten in unterschiedlichen Stadien zu erkennen gewesen, heißt es auf taz-Anfrage an das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg.

Glaubhaft sei dargestellt worden, dass bei der Brandsanierung weitere Schäden wie asbesthaltige Baustoffe und morsche Balkenköpfe aufgefallen seien, die neue Maßnahmen rechtfertigten. In der Summe heißt es aus dem Amt: „Der hier vorgelegte Bauablaufplan kann als schlüssig angesehen werden.“ Leerstand sei genehmigt und eine Verlängerung beantragt.

Sollen Mieter mürbe gemacht werden?

Fast schon zähneknirschend heißt es nun vom als mieternah bekannten Stadtrat Schmidt: „Die Eigentümerin plant und führt die Sanierung durch, wenn auch sehr langsam, und befindet sich damit im Rahmen der Gesetze.“ Er gehe allerdings trotz Einhaltung der Vorschriften weiter von einer Verzögerungstaktik aus, mit der Mie­te­r*in­nen mürbe gemacht und zur Kündigung getrieben werden sollen.

„Es besteht eine Diskrepanz zwischen den schwachen gesetzlichen Möglichkeiten, einzugreifen, die die Behörden ausbremsen, wenn Investoren sich geschickt, minimal an die Regeln halten, und dem offensichtlichen Handlungsbedarf aufgrund des existenziellen Missstandes“, sagte Schmidt. Er werde den politischen Druck auf die Eigentümerin aufrecht erhalten – gemeinsam mit den Mieter*innen.

Die Wohnungsaufsicht will in sechs Monaten erneut kontrollieren und gegebenenfalls Zwangsmaßnahmen prüfen. Wenn Eigentümer nachweislich nicht sanieren, hat der Bezirk Eingriffsmöglichkeiten, um die Wohnungen wieder bewohnbar zu machen.

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2 Kommentare

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  • Ich kann nicht behaupten, hier liege keine vorsätzliche Verschleppung vor, vielleicht tut sie es. Aber der ganze Artikel liest sich sehr aus der Perspektive eines Mieters geschrieben, der bei Schäden den Verwalter oder Vermieter anruft und, wenn es nicht ihm nicht schnell genug geht, gleich Fristen setzt und die Miete kürzt.



    Für den, der erst einmal freie Handwerker finden muß, zudem verschiedene Gewerke die zusammenarbeiten sollen, sieht die Welt deutlich anders aus. Die Kündigung eines langjährigen Mieters nahm ich zum Anlaß, sofort eine dringend nötige Erneuerung des Badezimmers zu beauftragen. Anstatt wie gehofft einen oder höchstens zwei Monate dauerte es ein ganzes Jahr, bis die Wohnung nach dem Auszug neu vermietet werden konnte. Zwei Jahre nach Brand mit erst während der Arbeiten entdeckten Substanzschäden scheinen mir keineswegs unplausibel. Ich bin keine Kapitalgesellschaft und zwölf Monate weiterlaufende Eigentümerumlagen einschließlich des nach Fläche umgelegten Grundanteils der Heizungs- und Warmwasserkosten ohne Verbrauch und plus eine Grundgebühr für den jetzt auf mich laufenden Stromanschluß taten mir ohne einen Pfennig Einnahme durchaus weh.



    Wer jetzt spekuliert: Die neue Miete ist nicht einen Pfennig höher als die alte, weil der Neuvertrag ins Covidloch fiel, und die Erneuerung war nicht aus Geiz aufgeschoben, sondern weil ich den alten Mieter schlecht wochen- und monatelang ohne Bad und Toilette sein lassen konnte. Nicht alles ist so einfach, wie Fritzchen sich das vorstellt.

    • @Axel Berger:

      Vielleicht sollte Herr Florian Schmidt selbst mit anpacken. Als selbsternannter Baufachmann kann er bestimmt sein Fachwissen den Handwerkern vermitteln und so die Sanierung beschleunigen.