: „Beschäftigte stärker online ansprechen“
Bei Unternehmen wie Amazon, Lieferando und Co will die SPD die schlechten Arbeitsbedingungen verbessern, sagt der Bundestagsabgeodnete Roloff
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Interview Robert Köster
taz: Herr Roloff, mit der Plattformökonomie, wie sie beispielsweise Amazon und Lieferando betreiben, entsteht in Deutschland ein neues Dienstleistungsprekariat. Wie will die SPD die Situation dieser Menschen verbessern?
Sebastian Roloff: Erst einmal sind die betriebliche Mitbestimmung zu stärken und Betriebsratsgründungen zu unterstützen. Dafür gibt es das konkrete Vorhaben eines digitalen Zutrittsrechts für Gewerkschaften. Für alle Solo-Selbstständige und sonstige Plattformtätige müssen jetzt eine ganze Reihe von Sozialversicherungsfragen beantwortet werden.
Kann die SPD die Menschen in diesem Bereich überhaupt erreichen, zumal oftmals auch Sprachbarrieren eine Rolle spielen?
Da steht die SPD vor den gleichen Problemen wie die Gewerkschaften. Aber es gibt Rezepte: Beispielsweise mehrsprachige Flugblätter, die auf Webseiten mit mehr Informationen verweisen. Es genügt allerdings nicht, sich bei Betrieben ans Werkstor zu stellen, wenn es denn überhaupt noch eines gibt. Bei Plattformökonomie müssen wir die Beschäftigten viel stärker online ansprechen.
Sind die großen Plattformen wie Amazon oder auch Lieferando nicht schon zu groß geworden, um bei ihnen überhaupt noch regulierend eingreifen zu können?
Es darf nicht sein, dass eine Firma nur groß genug sein muss, um bei Arbeitnehmerrechten in Ruhe gelassen zu werden. Ein Maßnahmenplan des Bundesarbeitsministeriums von 2020 adressiert das Problem. Unter anderem müssen wir Geschäftsbedingungen regulieren, die zulasten von Plattformtätigen gehen. Auch Meldepflichten, Scheinselbstständigkeit und die Beweisverlagerung beim Arbeitnehmerstatus müssen wir angehen. Diese Punkte möchte die SPD umsetzen, auch wenn in so manchen Einzelfragen noch der Rest der Koalition überzeugt werden muss.
Genossenschaftliche Modelle können auch im Bereich Plattformökonomie echte Alternativen anbieten, gerade da, wo gewinnorientierte Unternehmen meist nicht tätig sein wollen, wie beim lokalen Carsharing. Sehen Sie in so einer Nische Möglichkeiten zur Förderung?
Vor der Möglichkeit einer Förderung würde ich zuerst über die Rahmenbedingungen sprechen, über Sozialversicherung, Organisation von Mitbestimmung und so weiter. Aber natürlich sollte der Staat auch Aufträge an Genossenschaften in dieser Nische vergeben und sie beispielsweise steuerlich privilegieren.
Die SPD hatte in ihrem Bundestagswahlprogramm verbesserte Rahmenbedingungen für gemeinwohlorientiertes Wirtschaften angekündigt. Was wird die Ampelkoalition davon nun konkret angehen?
Als Berichterstatter für den Bereich „Freie Berufe“ im Wirtschaftsausschuss weiß ich, dass wir bei der Rechtsposition und der Absicherung von den Beschäftigten und Soloselbstständigen Fortschritte machen werden. Das bei neuen Geschäftsmodellen normale Risiko des Scheiterns muss man über Förderprogramme des Wirtschaftsministeriums oder der KfW entsprechend abfedern. Bei der Gestaltung des neuen Vergaberechts werden wir auch darüber diskutieren, Dienstleistungen zukünftig so auszuschreiben, dass zumindest ein Teil gemeinwohlorientiert vergeben wird.
Sind Sie selber in einer Genossenschaft?
Tatsächlich bin ich in einer Wohnungsbaugenossenschaft. Es ist ein beruhigendes Gefühl, zu wissen, dass ich einmal eine halbwegs bezahlbare Wohnung bekommen werde. Grundsätzlich müssen wir am etwas altbackenen Image von Genossenschaften noch ein bisschen arbeiten. Tätigkeiten jenseits von gewinnorientierten Unternehmen zu organisieren sollte eine Idee sein, die man vielen Menschen näherbringen kann.
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