Waldbrände in Brandenburg: „Das ist eine Mammutaufgabe“
Es brennt immer weiter in Brandenburg. Was dagegen getan werden muss und kann, weiß der Waldbrandschutzbeauftragte des Landes, Raimund Engel.
taz: Herr Engel, an wie viele Stellen brennt es heute, Mittwochmorgen in Brandenburg?
Raimund Engel: Im Moment haben den Großbrand in der Lieberoser Heide, der sich bis heute leider noch mal auf jetzt 65 Hektar ausgeweitet hat. Daneben gab es nur einige kleinere Brände.
57, ist bundesweit der einzige Waldbrandschutzbeauftragte. Er ist im Dienst des Landes Brandenburg und von Beruf Diplom-Forstwirt.
Also ist die Situation insgesamt gar nicht so dramatisch?
Naja, heute Vormittag ist es nicht so sonnig, aber das heißt noch gar nichts. Wir haben aktuell frischen, böigen Wind, und da kann es schnell gehen, dass ein Feldbrand, der vielleicht durch einen Maschinenschaden entstanden ist, oder ein Feuer durch eine aus dem Autofenster geworfene Zigarettenkippe in den Wald hineinläuft. Morgen erwarten wir ja auch ein Regengebiet, aber die paar Schauer werden schnell verdunsten, eine Durchfeuchtung des Bodens findet da nicht statt.
Sie machen auch die Sonne verantwortlich für die Brandgefahr?
Nur insofern, als sie die Temperaturen dann doch sehr schnell auf 30 Grad und mehr steigen lässt. Die Wahrscheinlichkeit für einen Brand steigt dann, auch wenn es natürlich nicht der eine bestimmende Faktor ist. Man muss das Zusammenspiel betrachten zwischen Trockenheit, Luftfeuchtigkeit, Temperatur und Wind.
Ist 2022 ein Waldbrand-Rekordjahr?
Also bis zum 6. Juli haben wir schon über 300 Brände gehabt, das ist schon eine Nummer. Im gesamten Jahr 2021 hatten wir dagegen 168 Brände, 302 im Jahr 2020, im Jahr 2019 waren es 429 und im Dürrejahr 2018 ganze 512. Der bisherige Rekordhalter, wenn man diesen Begriff überhaupt verwenden sollte, war das Jahr 2003, da haben wir in Brandenburg sage und schreibe 679 Waldbrände verzeichnet.
Wobei die jeweils vernichtete Fläche ja ganz unterschiedlich sein kann.
Natürlich sind die Brandflächen unterschiedlich groß. Das Wort “vernichtet“ sollte man nicht pauschal verwenden, denn nicht jeder Brand hat dieselben Folgen. Nach einem reinen Bodenfeuer etwa kann die Fläche schon nach zwei Wochen wieder grün sein, bei einem Vollfeuer ist das natürlich anders.
Bei Lieberose haben wir so ein Vollfeuer, oder?
Dort ist die Situation eine besondere: Es handelt sich um eine Senke: das Moorgebiet “Große Zehme“, ein besonders geschütztes Totalreservat. Dass solche wertvollen Biotope beschädigt werden, wollen wir auf keinen Fall, aber diese Moore sind zumindest im oberen Teil trocken gefallen – wenn das anfängt zu brennen, ist es nur schwer unter Kontrolle zu bringen.
Altmunition ist auch hier ein Problem?
Ja, wir sind da unmittelbar am Rand eines alten Schießplatzes, den die russische Armee bis zu ihrem Abzug Anfang der Neunziger genutzt wurde. Dort liegt zum Teil sogar panzerbrechende Munition herum, das ist höchst gefährlich.
Warum werden denn diese Munitionsbelastungen nicht so schnell wie möglich geräumt?
Also Brandenburg ist groß, und hier gibt es nicht nur Übungsplätze aus DDR-Zeiten, sondern auch Altlasten von den Kampfhandlungen des Zweiten Weltkriegs. Das alles zu entfernen, ist eine Mammutaufgabe, die das Land gar nicht alleine stemmen kann. Wir müssen da Prioritäten setzen und fangen eben erst einmal damit an, die Wege freizuräumen, damit die Feuerwehren grundsätzlich Zugang haben. In der Fläche ist das noch lange nicht möglich, und ich verstehe jeden Einsatzleiter, der sagt: Ich schicke keine Kameradin und keinen Kameraden in diese Flächen, da geht die Sicherheit vor.
Wie oft ist Brandstiftung die Ursache für einen Brand?
Das ist leider oft schwer nachweisbar, am ehesten dann, wenn man Brandbeschleuniger findet oder Brandherde, die nur wenige Meter voneinander entfernt sind. In der diesjährigen Statistik haben wir bei 120 Bränden “unbekannte Ursache“ eingetragen, bei weiteren hundert gibt es Hinweise auf fahrlässige Brandstiftung – etwa weil der Brand von einer Straße ausging. 12 Brände waren auf Blitzschlag zurückzuführen, aber bei mehr als 70 Bränden gibt es tatsächlich den begründeten Verdacht auf Vorsatz. Ein großer Teil davon übrigens im Raum Oranienburg, wo Polizei und Staatsanwaltschaft bereits ermitteln.
Es ist viel die Rede vom Waldumbau, der künftig Brände unwahrscheinlicher machen soll. Wie geht es damit voran?
Die große Herausforderung besteht hier darin, die privaten Waldbesitzer dafür zu gewinnen. In Brandenburg gehören zwei Drittel des Waldes privaten Eigentümern. Viele davon verfügen nur über kleine Flächen. Oft sind es auch Erbengemeinschaften, die man erst einmal ausfindig machen und dann mühevoll von dieser Generationenaufgabe überzeugen muss. Ein großes Problem ist auch das Wild, das sich im Kiefernbestand jedes grüne Laubblatt sucht. Wir können nicht jede Neupflanzung durch Zäune schützen, deshalb müssen unsere Wildbestände dringend angepasst werden, was ja auch durch die Änderung des Jagdgesetzes geplant ist.
Was bringt denn so ein langsamer Umbau zum Mischwald?
Wir können dadurch tatsächlich die Temperaturen um 2 bis 4 Grad senken und die Luftfeuchte anheben. Das hilft sehr viel bei der Brandbekämpfung. Klar, bei langer Trockenheit kann auch Laubholz brennen, aber es geht ja auch noch um mehr: Ein Mischwald ist ein guter Luftfilter und ein Wasserspeicher, aus dem Niederschläge langsamer ins Grundwasser versickern. Er ist ein wertvoller Lebensraum und nicht zuletzt auch ein Erholungsraum für den Menschen.
Blöde Frage: Macht es nicht Sinn, Kiefern-Monokulturen einfach abbrennen zu lassen, wenn sie schon mal Feuer gefangen haben? Dann kann man doch den Mischwald gleich richtig anlegen.
Das ist eine Milchmädchenrechnung – wir haben dann 50 bis 70 Jahre verloren. Jeder Waldbrand setzt CO2 frei und vernichtet Biomasse, die dem Wald als Nährstoff zur Verfügung steht. Die Asche wird dagegen schnell vom Wind fortgetragen und ausgewaschen. Wir haben durch jeden Brand deutlich mehr Verluste als Gewinne.
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