Erweiterung der EU: Dilemmata mit dem Kandidatenstatus

Die EU-Außenminister ringen mit der Erweiterung in Richtung Westbalkan und Ukraine. Der Außenbeauftragte äußert sich zudem zur Weizenexport-Blockade.

Vor dem G7-Gipfel in Elmau: Der Sicherheitszaun, der das Schloss umgibt

Alle blicken nach Elmau: Vor dem G7-Treffen laufen die Vorbereitungen in dem Schloss Foto: Angelika Warmuth/dpa

BRÜSSEL taz |Die Ukraine soll rein, der Westbalkan aber auch: Mit dieser Forderung haben mehrere Länder, allen voran Österreich, den Druck vor dem entscheidenden EU-Gipfel zur Erweiterungspolitik am Donnerstag in Brüssel erhöht.

„Wir dürfen nicht den Eindruck erwecken, dass es eine Zwei-Klassen-Gesellschaft gibt“, warnte der österreichische Außenminister Alexander Schallenberg bei Beratungen mit seinen EU-Amtskollegen in Luxemburg.

Seine Regierung erwarte „beim EU-Gipfel ein klares Signal Richtung Osten, aber auch Richtung Südosten“. Es dürfe nicht der Eindruck entstehen, dass die Ukraine und Moldau „auf der Überholspur“ seien. Für eine Annäherung an den Westbalkan sprach sich auch Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) aus. Die EU stehe vor einem „historischen Moment“, sagte sie. Die Ukraine oder Moldau nicht einzuladen, wäre „eine fatale Entscheidung“.

Man dürfe aber auch Länder wie Albanien oder Nordmazedonien nicht vergessen, die seit Jahren auf Beitrittsgespräche warten. „Auch auf dem Westbalkan müssen wir endlich nächste Schritte gehen“, schrieb sie auf Twitter, „sonst geht Russland sie nämlich“. Baerbock fordert aber auch EU-Reformen. Es sei Zeit, die EU weiter zu bauen und von der Einstimmigkeit in der Außenpolitik wegzukommen, so die Grünen-Politikerin.

Nachholbedarf bei den Grundrechten

Unklar ist, wie die verschiedenen Forderungen auf einen Nenner gebracht werden sollen. EU-Ratspräsident Charles Michel versucht zwar, die Debatte zu entzerren: Unmittelbar vor dem EU-Gipfel am Donnerstag hat er einen Westbalkan-Gipfel einberufen. Doch was passiert, wenn sich die Staaten dort nicht auf konkrete Schritte einigen können? Wird dann auch der Kandidatenstatus für die Ukraine und Moldau blockiert? In Brüssel wagt niemand eine Vorhersage, selbst die EU-Kommission ist sich des Ausgangs nicht gewiss.

Am Freitag hatte die Brüsseler Behörde empfohlen, der Ukraine und Moldau den begehrten Kandidatenstatus zu verleihen. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen begründete die Entscheidung damit, dass die Ukraine bereits 70 Prozent der EU-Regeln übernommen habe. „Die Ukrainer sind bereit, für die europäische Perspektive zu sterben“, sagte von der Leyen.

Aber bei der Korruptionsbekämpfung und den Grundrechten gibt es noch Nachholbedarf. So hat die Ukraine am Montag das Verbot der größten Oppositionspartei bestätigt – wegen zu großer Nähe zu Russland. Außerdem wurde der Zugang zu russischen Büchern und russischer Musik beschränkt.

Beim Treffen der EU-Außenminister spielte das jedoch keine Rolle. Neben dem EU-Beitritt ging es vor allem um die Ernährungskrise, die durch die Blockade ukrainischer Getreideexporte im Schwarzen Meer ausgelöst wurde.

Afrikanische Union klagt über EU-Sanktionen

Die Blockade, die Russland zu verantworten habe, sei ein „echtes Kriegsverbrechen“, sagte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell am Montag. Man dürfe den Hunger von Menschen nicht als Kriegswaffe missbrauchen. Er zeigte sich zugleich optimistisch, dass bald eine Lösung gefunden werden könne. „Wir kommen voran und ich bin mir sicher, dass die Vereinten Nationen am Ende eine Einigung erzielen werden“, sagte er.

Die internationale Gemeinschaft fordert von Russland seit Wochen, den Export von ukrainischem Getreide zu ermöglichen, um eine Hungersnot in Afrika abzuwenden. Moskau weist jede Schuld von sich und verweist auf die ukrainischen Seeminen, die den Schiffsverkehr lahmlegten.

Die Afrikanische Union (AU) wiederum klagt über die EU-Sanktionen. Weil die EU die russischen Banken aus dem internationalen Zahlungssystem Swift ausgeschlossen habe, sei der Handel mit Getreide erschwert, so AU-Chef Macky Sall.

Baerbock verwies auf eine internationale Konferenz in Berlin am Freitag. Sie soll sich mit der Frage der Kornkrise in der ­Ukraine beschäftigen, auch der US-amerikanische Außenminister Antony Blinken sei eingeladen.

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