SPD findet die Ausfahrt

Die SPD stimmt auf ihrem Landesparteitag klar gegen den 17. Bauabschnitt der A100. Die Planungen hatte der Bundesverkehrsminister vor Kurzem angeschoben – entgegen den Absprachen in der Ampel

Von Bert Schulz

Es war die letzte Debatte auf dem Landesparteitag der SPD und die einzige an diesem Sonntag, die diese Bezeichnung wirklich verdiente. Am Ende sprach sich fast eine Zweidrittelmehrheit der Delegierten gegen den Weiterbau der Stadtautobahn 100 durch Friedrichshain aus.

Die Entscheidung hat Signalcharakter in doppelter Hinsicht. Zum einen in die Partei hinein, weil die Berliner SPD seit Jahrzehnten um ihre Position zur A100 gerungen hat. Nun haben sich die linkeren und jüngeren Kreisverbände durchgesetzt: Der erfolgreiche Antrag kam aus dem Kreisverband Friedrichshain-Kreuzberg. Zum anderen ist es ein Signal in Richtung Bund, denn dieser ist zuständig für den Bau von Autobahnen und finanziert ihn auch.

Auslöser für die Diskussion über den 17. Bauabschnitt der A100 von Treptow durch Friedrichshain bis Prenzlauer Berg war die Entscheidung des FDP-geführten Bundesverkehrsministeriums, die Planungen dafür zu starten – entgegen den Vereinbarungen im Koalitionsvertrag der Ampel. Und während sich Berliner Linke und Grüne schon lange gegen die Autobahn aussprechen, war die Position der Sozialdemokraten unklar. Im rot-grün-roten Koalitionsvertrag von Dezember 2021 heißt es, dass in dieser Legislaturperiode die A100 nicht weiter geplant wird – ein Zugeständnis an die SPD.

Die Geg­ne­r*in­nen des Antrags aus Friedrichshain-Kreuzberg argumentierten, dass diese von Parteitagen abgesegnete Position nicht bereits nach einem halben Jahr wieder geändert werden dürfe. Doch sie standen auf verlorenem Posten. Durch den nicht in der Ampel-Koalition abgesprochenen Vorstoß des Bundesverkehrsministeriums sei eine neue Situation entstanden, auf die schnell und klar reagiert werden müsse, erklärten mehrere Unterstützer*innen. Zudem sei eine verlängerte Autobahn das Letzte, was Berlin für die Verkehrswende brauche. Denn mehr Straßen erzeugten auch mehr Autoverkehr.

Am Ende votierten 64,35 Prozent der Delegierten für den Antrag. Dieser fordert die SPD in Bund und Land auf, sich gegen den 17. Bauabschnitt einzusetzen. Vor allem soll das Land den Flächennutzungsplan ändern und für die Areale, die für den Autobahnbau vorgesehen sind und frei gehalten werden, andere Nutzungen festschreiben, etwa Wohnungsbau, Urban Gardening oder Sportplätze. Auf diese Weise soll dem Bund die Möglichkeit genommen werden, die Strecke zu bauen. Derzeit laufen die Arbeiten für den 16. Abschnitt der Autobahn, der nahe der Elsenbrücke über die Spree endet.

Für Regierungschefin Franziska Giffey, die bei der Debatte nicht mehr anwesend war, ist die Entscheidung problematisch: Sie hatte sich im Vorfeld nicht gegen einen Weiterbau positioniert, sondern auf Zeit gespielt. Zusammen mit dem mageren Ergebnis bei ihrer Wiederwahl als Parteichefin – auch ohne Gegenkandidaten kam sie nicht über 58,9 Prozent hinaus – dürfte das zu Diskussionen in der Partei führen. „Für uns hat sich dieses Ergebnis im Vorfeld nicht abgezeichnet, das muss man ganz klar sagen“, sagte Giffey dazu in der RBB-„Abendschau“ am Sonntag. Die Berliner FDP legte ihr am Montag bereits den Rücktritt nahe.

Und noch ein erfolgreicher Antrag dürfte Giffey wenig in den Kram passen: Der Parteitag sprach sich dafür aus, schnellstmöglich mit der Ausarbeitung eines Enteignungsgesetzes zu beginnen, sofern die vom Senat eingesetzte Kommission ein solches für möglich hält.

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