Podcast „Schwarz Rot Blut“: Tübingen, Dessau, Celle
Der Podcast „Schwarz Rot Blut“ widmet sich Fällen rechter Gewalt. Er ist eine Bereicherung für das breite Feld der Kriminalpodcasts.
Solingen, Mölln, Rostock-Lichtenhagen – wenn diese Ortsnamen fallen, ist klar, worum es geht: um rassistische Gewalt. Es gibt diese Taten, die zum Fanal wurden: Der Hass gegen vermeintlich Fremde ist in Deutschland nach wie vor Realität. Ja, er schlägt auch in Gewalt um. An den Motiven der Täter konnte, auch wenn es der eine oder die andere versuchte, letztlich niemand zweifeln.
Doch es gibt mehr Taten, mehr Städtenamen, die sich nicht ins kollektive Gedächtnis gebrannt haben: Tübingen, Dessau, Duisburg, Kolbemoor, Celle … Die Liste ließe sich wohl endlos verlängern. Auch dort wurden Taten an Menschen verübt, die als fremd gelesen wurden. Dass ihre Geschichten oft nicht die gleiche Aufmerksamkeit erfuhren, liegt wohl auch daran, dass Ermittlungsbehörden und Gerichte die Angriffe nicht als rassistisch motiviert einstuften – obwohl Betroffene von einem solchen Tatmotiv überzeugt waren und Indizien darauf hindeuteten.
Sieben solcher Fälle stellt der Podcast „Schwarz Rot Blut“ von WDR und Cosmo in je einer Folge vor. Taten aus den frühen 1980er Jahren sind darunter und solche, die in den letzten Jahren verübt wurden.
Bei „Schwarz Rot Blut“ sollte man sich nicht von dem etwas reißerischen Titel abschrecken lassen und auch nicht von der Bewerbung des Formats als „True Crime“, was angesichts der Verbrechen, um die es hier geht, eigentlich bei jeglicher Kriminalberichterstattung, etwas unpassend nach Infotainment klingt. Dabei erwartet Hörerinnen ein tiefgehender Recherche-Podcast: Die Macherinnen zeichnen die Fälle minutiös nach, ziehen Akten und Zeitzeugen heran, legen Einzelheiten der Taten und ihrer Aufarbeitung dar, immer mit der Frage: Wurden rassistische Tatmotive von Ermittlern und Gerichten berücksichtigt? Oder oft eher: Warum wurden sie nicht berücksichtigt?
„Schwarz Rot Blut“, sieben Folgen, bei Cosmo und allen gängigen Podcast-Apps
Besonders stark ist der Podcast da, wo er neben der Ignoranz für Betroffene konkrete Folgen für die Strafverfolgung herausarbeitet. Beim Fall der Schoah-Überlebenden Blanka Zmigrod, deren Mörder, ein schwedischer Rechtsextremer, erst 26 Jahre nach der Tat vor ein deutsches Gericht gestellt wurde. Die Polizei hatte sich unter anderem mit Erzählungen über „alte jüdische Spielerkreise“ aufgehalten – eine Täter-Opfer-Umkehr, die später ähnlich beim NSU geschah.
Oder bei Carlos Fernando, der als Vertragsarbeiter aus Mosambik in die DDR kam und nach der Wende in den vermeintlich sichereren Westen zog, wo er 1999 von einem Rechtsextremen erschlagen wurde. Die rechte Gesinnung des Täters erkannte das Gericht an, ein rechtes Tatmotiv aber nicht. Das Mordmerkmal der niederen Beweggründe sah es somit nicht erfüllt.
Der Täter habe außerdem nicht vorsätzlich gehandelt, Fernando also nicht töten wollen. Körperverletzung mit Todesfolge, nicht Mord, lautete das Urteil. Nur 10 Jahre Haft. Die Anerkennung des rassistischen Motivs hätte hier wohl den Unterschied gemacht.
An anderer Stelle, beim Fall der 2016 in Dessau ermordeten Studentin Lǐ Yángjié, war die Anerkennung des Motivs juristisch nicht entscheidend. Andere Mordmerkmale sahen die Richter bereits erfüllt, die Verurteilung wegen Mordes war sicher, und deutsche Gerichte arbeiten ökonomisch: Allein für den Seelenfrieden der Hinterbliebenen werden rassistische Tatmotive vor Gericht nicht aufgeklärt, wenn es für eine Verurteilung nicht nötig ist.
Es ist ein Widerstreit, der seit dem NSU-Prozess in Deutschland immer neu hervorbricht: Wie pragmatisch darf – oder muss – die Strafjustiz arbeiten, wenn es um politisch motivierte Taten geht, die die Gesellschaft in ihrem Innersten berühren? Wie viel Raum sollte den Opferinteressen gegenüber dem des Rechtsfriedens zugestanden werden? Wie eng kann ein Gericht sich auf die reine Klärung der Tat- und Schuldfrage beschränken, wenn gesellschaftliche Stimmungen, Zusammenhänge und Hintergründe in diese Tat hineinspielen?
Der Podcast spricht diesen neuralgischen Punkt an, führt das Für und Wider jedoch nicht weiter aus. Das ändert am Ende nichts daran, dass „Schwarz Rot Blut“ eine Bereicherung für das breite Feld der Kriminalpodcasts ist. Und ist vielleicht sogar ein guter Grund für eine zweite Staffel.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!