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Eigentlich schon fast bei Gott

Schloss Elmau scheint als Ort der Welt enthoben und daher ideal für ein Treffen der Mächtigen

Nach dem Gipfel kehrt der von Wellness, Geist und Musik geprägte Alltag auf Schloss Elmau zurück

Aus München Dominik Baur

Schloss Elmau ist wie gemacht für einen Gipfel, obwohl es im Tal liegt. So zumindest sieht das Schlossherr Dietmar Müller-Elmau, der den Gipfel etwas „ganz Tolles“ findet und sagt: „Ich habe dieses Hotel so gebaut, dass es perfekt ist für einen G7-Gipfel.“ Und in der Tat hat sich die Bundesregierung nach 2015 in diesem Jahr schon zum zweiten Mal für das Schloss als Austragungsort der weltpolitischen Kaminrunde entschieden.

Begründer der Familie, zumindest aber Bauherr des Schlosses war ein gewisser Johannes Müller. Eine – freundlich formuliert – schillernde Gestalt, wie auch aus dem Buch „Schloss Elmau – Eine deutsche Geschichte“ des heutigen Schlossherrn, seines Enkels, hervorgeht. 1916 erbaute Müller das Schloss mithilfe einer betuchten Gräfin als „Freiraum des persönlichen und gemeinschaftlichen Lebens“. Das Gut Elmau, das waren bis dato nicht mehr als ein paar Bauernhäuser in dem auf tausend Metern Höhe gelegenen Alpental, auch mal eine Sägemühle und ein Gasthaus.

Johannes Müller, ein Mann mit beeindruckendem Schnauzer, war ein evangelischer Theologe mit durchaus speziellen Ansichten. So sah er in der Kirche das größte Hindernis auf dem Weg zu Gott. Einen offenbar schnelleren Weg wollte er selbst seinen Gästen in Elmau weisen – durch das unmittelbare Natur­erlebnis wie auch Konzerte und Tanzabende, auf dass sie „im Sinne der Bergpredigt selbstvergessen, unbewusst und unmittelbar wie die Kinder ihrem göttlichen Wesen gewahr werden“ könnten. Der Weg zur G7-Location schien förmlich vorgezeichnet.

Zu den Nazis soll Müller ein gespaltenes Verhältnis gehabt haben: Auf der einen Seite wandelte er sich nach der Machtergreifung recht plötzlich zu einem glühenden Hitler-Verehrer, den er gar als „Werkzeug in Gottes Hand“ bezeichnete, andererseits lehnte er den Antisemitismus der Nazis entschieden ab, nannte ihn öffentlich eine „Schande für Deutschland“ und beherbergte in Elmau weiterhin jüdische Gäste. Obwohl kein Parteimitglied, wurde er nach dem Krieg als „Hauptschuldiger“ verurteilt. 1949 starb er auf Schloss Elmau.

Nach Zwischennutzungen als Lazarett und Erholungsheim nahm Elmau, das zur Gemeinde Krün gehört, wieder den Hotelbetrieb auf – mit Tanz und Musik. Loriot und Johannes Rau sollen Stammgäste gewesen sein. Auch die Gruppe 47 hielt eines ihrer Treffen hier ab. Ende der 1990er Jahre übernahm Dietmar Müller-Elmau das Hotel und gab ihm eine neue Ausrichtung: weniger Tanz, mehr Konzerte und Symposien. Er selbst kam 1954 im Schloss zur Welt. Anders als ein Großteil der Müller-Elmaus, die sich der Schauspielerei verschrieben haben, hatte Dietmar Müller-Elmau mit einer Software-Firma ein Vermögen gemacht. Als das Schloss nach einem Kurzschluss 2005 fast vollständig abbrannte, ließ er es in nur zwei Jahren wieder aufbauen, 2015 schließlich wurde es durch ein zweites Luxushotel erweitert, „Retreat“ genannt. Hier werden nun auch die Staatsgäste logieren.

Wenn die abgereist sind, kehrt in Elmau wieder der von Wellness, Geist und Musik geprägte Alltag ein. Yoga-Kurse, Taiji Quan und Qigong sowie alle Klassiker der Wohlfühl- und Fitnesskultur. Abends dann hochkarätige Konzerte. Spitzenmusiker wie Yehudi Menuhin und Friedrich Gulda waren schon hier, drei Wochen nach dem Gipfel kommt Helge Schneider.

Auf der Anlage befinden sich gleich mehrere Restaurants. Eines von ihnen, das Luce d’Oro, kann sich mit zwei Michelin-Sternen brüsten und lockt mit „japanisch-französisch inspirierter Kreativküche“. Barack Obama mochte es beim letzten Gipfel etwas bodenständiger. Bei einem Abstecher ins Dorf ließ er sich mit Angela Merkel bei einer Brotzeit ablichten.

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