30 Prozent für den Neonazi

Der Thüringer Tommy Frenck verliert Bürgermeisterwahl. Innenminister kritisiert, dass er antreten durfte

Von Konrad Litschko

Am Sonntagmittag war Tommy Frenck noch zuversichtlich. „Das kann eine ganz enge Geschichte werden“, erklärte der Thüringer Rechtsextremist in einer Videobotschaft und appellierte, ihn zum Bürgermeister seines Dorfs Kloster Veßra zu wählen. Am Ende verlor der 35-Jährige deutlich gegen Amtsinhaber Wolfgang Möller (parteilos), bekam aber immerhin 29,1 Prozent der Stimmen.

Frenck zeigte sich zufrieden. Dafür, dass er alle gegen sich gehabt habe, sei das Ergebnis super, erklärte er auf seinem Telegram-Kanal. Auch Wahlgewinner Möller, Kandidat des Feuerwehrvereins und seit 23 Jahren im Amt, zeigte sich erleichtert. Auch er habe gedacht, es werde knapp, sagte der 68-Jährige am Montag der taz. Nun aber hätten die Bürger „eine klare Entscheidung getroffen“. Bei der Wahl erhielt Möller 139 Stimmen, auf Frenck entfielen 57 Stimmen. Die Wahlbeteiligung lag bei 83,4 Prozent.

Frenck ist seit Jahren ein überregional bekannter und aktiver Neonazi. In Kloster Veßra betreibt er die Gaststätte „Goldener Löwe“, die international Rechtsextreme anzieht. Von dort betreibt er auch seinen rechtsextremen Versand. Frenck, der sich den Schriftzug „Aryan“ auf den Hals tätowierte, organisiert zudem Rechtsrockkonzerte und war auch 2017 am bisher größten Szenefestival mit 6.000 Neonazis im Thüringer Themar beteiligt. Er sitzt im Kommunalparlament und seit mehreren Jahren auch im Kreistag.

Möller berichtet von einem polarisierten Wahlkampf. Vereine wie die Feuerwehr hätten sich über Frencks Kandidatur zerstritten. Dass sich am Ende auch die Thüringer Innenstaatssekretärin Katharina Schenk einschaltete und erklärte, dass die Rechtsaufsicht einen möglichen Amtsantritt von Frenck verhindern müsse, kritisiert Möller. „Das hat dieser Wahl nicht gut getan. Die Bürger sollen diese Sache entscheiden.“

Möller setzt auch sonst nicht auf Konfrontation mit Frenck. Er teile dessen politische Meinung überhaupt nicht, sagt er der taz. Aber Frenck sitze nun mal in den Parlamenten. Man müsse jetzt zu Sachthemen zurückkehren und mit ihm wieder „konstruktiv zusammenarbeiten“. Auf die Frage, wie das mit einem Neonazi gelingen soll, antwortet Möller nur, er habe Frenck bisher so erlebt, dass dieser keine Beschlüsse zum Wohle der Gemeinde blockiere.

Frenck dagegen nutzte seinen Wahlantritt vor allem mal wieder für PR in eigener Sache. Und er veröffentlichte noch am Wahlabend einen Appell an die Szene: Auch andernorts sollten Gleichgesinnte seinem Beispiel folgen und zu Wahlen antreten. „Nehmt den Etablierten so viele Stimmen wie möglich weg.“ In Sachsen taten das am Sonntag bei Kommunalwahlen etwa die Freien Sachsen, ein Sammelbecken verschiedener Rechtsextremer – die ihr Spitzenergebnis in Dohna bei Dresden mit 30,1 Prozent erzielten, dort aber einem CDU-Mann unterlagen (siehe Seite 7).

Thüringens Innenminister Georg Maier (SPD) nannte das Ergebnis von Frenck ein Alarmzeichen. „Dass 30 Prozent der Wähler einem glasklaren Rechtsextremisten ihre Stimme geben, ist besorgniserregend“, sagte er der taz. Maier kritisiert, dass Frenck überhaupt zur Wahl antreten durfte. „Das Kommunalwahlgesetz ist hier eigentlich eindeutig: Verfassungsfeinde werden nicht zu Wahlen zugelassen.“ Maier plädiert nun für verstärkte Aufklärung in den kommunalen Behörden. Die bereits gegen Rechtsrockkonzerte eingesetzte Taskforce in Thüringen werde sich nun auch darum kümmern. „Wir dürfen den Rechtsextremen keine so leichten Erfolge verschaffen.“