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Ein blockiertes Land

In Ecuador protestieren indigene Organisationen mit Blockaden der Überlandstraßen. Präsident Lasso will den Ausnahmezustand und macht nur kleine Zugeständnisse

Von Knut Henkel

An diesem Montag werden sich die ecuadorischen Gerichte mit dem von der Regierung verhängten Ausnahmezustand befassen: Ist er verfassungskonform oder nicht? Der Jurist und Menschenrechtsanwalt Mario Melo von der Päpstlichen katholischen Universität von Quito (PUCE) nennt das von der Regierung verhängte Dekret, das den Ausnahmezustand über die Hauptstadt Quito und zwei weitere Regionen des Landes verfügt, „furchtbar“.

„Noch schlimmer ist, dass das Dekret erst die Verletzung der Meinungsfreiheit aufgrund der Eingriffe ins Internet und die sozialen Netze anordnete, sie dann aber zurücknahm. Präsident Guillermo Lasso und seine Regierung lavieren, haben keinen klare Linie und schüren so den Konflikt“, sagt Melo. Der Streit hält Ecuador seit einer Woche in Atem. Da begannen indigene Mobilisierungen für die ersten Straßenblockaden bei Quito, angeführt vom Vorsitzenden des Dachverbandes der indigenen Gruppen (Conaie), Leonidas Iza.

Der diplomierte Umweltingenieur war schon im Oktober 2019 einer der Organisatoren der damaligen sozialen Proteste. Damals kamen mindestens elf Menschen aufgrund der repressiven Polizeieinsätze ums Leben. Jetzt erschüttert eine Neuauflage der Proteste das Land, die sich damals vor allem gegen das Ende der Treibstoffsubventionen richteten. „Heute ist die soziale Situation viel gravierender. Es fehlt an Medikamenten, das Bildungssystem funktioniert nur partiell, die Lebensmittelpreise sind explodiert und die Regierung will Erdöl und Mineralien in zuvor geschützten Regionen wie der Amazonasregion fördern. Das sorgt für die Proteste“, meint Alberto Acosta, Ökonom und international bekannter Experte für nachhaltiges Wirtschaften.

Anders als im Oktober 2019 protestieren jetzt jedoch nicht breite gesellschaftliche Schichten, sondern vor allem indigene Organisation, partiell unterstützt von sozialen Organisationen. „Die Leute haben Angst vor der Eskalation, wollen das Wenige, was sie haben, behalten. Vor allem in den sozialen Netzen ist die Ablehnung, Diskriminierung und der Rassismus gegenüber den indigenen Gruppen massiv“, warnt Acosta.

Dieses Klima hat die Regierung des konservativen Präsidenten Guillermo Lasso mit der Verhaftung von Leonidas Iza am 14. Juni mitgeschürt. Der unbequeme Conaie-Vorsitzende wurde zwar einen Tag später nach einem entsprechenden Gerichtsurteil wieder freigelassen. Aber die Justiz ermittelt gegen den 40-Jährigen. Für die „Paralisierung einer öffentlichen Dienstleistung“ wird er verantwortlich gemacht, also die Straßenblockade, die Iza persönlich koordiniert hat. Der Prozess ist für den 4. Juli angesetzt.

Die Proteste sind eine Neuauflage der von 2019, doch ist die soziale Lage jetzt viel schlimmer

Für Mario Melo sind die Vorwürfe kaum haltbar, da die in der Verfassung fixierte Demonstrationsfreiheit dadurch eingeschränkt werde. Gravierender ist jedoch, dass die Verhaftung Izas den Konflikt weiter geschürt hat, meint Melo.

Am Freitagabend waren alle wichtigen Überlandstraßen blockiert, worauf die Regierung den Ausnahmezustand über die Provinzen Imbabura, Cotopaxi und Pichincha mit der Hauptstadt Quito verhängte. Am Samstag schossen dann Unbekannte auf den Wagen des Conaie-Vorsitzenden, der unverletzt blieb.

Für Melo ist das eine indirekte Folge der wenig kons­truk­tiven Haltung der Regierung. „Wir brauchen eine Dialog, echte Verhandlungen, vermittelt durch nationale oder internationale Organisationen“, fordert der Jurist. Die könnten in den nächsten Tagen kommen, denn die Regierung hat am Wochenende erstmals konstruktiv auf die zehn zentralen Forderung des Conaie reagiert. Zusätzliche Mittel für Bildung sowie ein Schuldenmoratorium für hochverschuldete Familien wurden angekündigt. Positiv, wenn auch spät, und wahrscheinlich nicht ausreichend, meint Melo.

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