: Berliner Kulturplanung auf Sicht
Auf dem Berliner Molkenmarkt soll ein Kulturquartier entstehen. Welche Räume braucht Kunst in Zukunft?
Von Julia Hubernagel
Auf dem Berliner Molkenmarkt werden die großen städtebauliche Fragen verhandelt. Verfolgt man in der Hauptstadt den Vergangenheitskurs samt Rekonstruktionen zerstörter Gebäude weiter? Oder denkt man auch energetisch um und setzt auf Holzbau? Platz für Wohnen und Gewerbe soll das Gebiet unweit des Roten Rathauses bieten, zudem großzügig Raum für Kultur. Inwieweit das „Kultur Stadt Quartier“ seinen Namen verdient, darüber wurde am Montagabend in der Alten Münze Berlin diskutiert.
Eine 24-Stunden-Nutzung stellt sich Theresa Keilhacker, Präsidentin der Architektenkammer Berlin, auf dem Gelände vor. Das täte dem Areal in der Tat gut, hält man sich auf dem benachbarten Alexanderplatz nachts doch nur ungern auf, von dem Platz südlich des Fernsehturms gar nicht zu reden. Der Molkenmarkt ist in öffentlicher Hand, Berlins Kultursenator Klaus Lederer (Linke) will Bereiche davon dauerhaft für Kultur sichern. Bedrohte Kulturorte kurzfristig zu retten und dann „hinterhersubventionieren“, das sei für ihn nicht das Wahre.
Aktuell ist der Molkenmarkt ein toter Punkt. Die Kreuzung ist wenig fußgängerfreundlich, die große Baustelle zur Verlegung der Grunerstraße senkt die Aufenthaltsqualität gegen null. Einer der wenigen Kulturakteure, die im Quartier zwischen verschiedenen Verwaltungsgebäuden bereits residieren, ist das TD Berlin. Das Theater arbeitet regelmäßig zum Thema Städtebau, verlagert Produktionen auch in den öffentlichen Raum. Sein Weiterbestehen war in der fast 20-jährigen Geschichte allerdings stets unsicher, so der künstlerische Leiter Georg Scharegg. Nie habe man über eine Mietsicherheit verfügt, die über drei Monate Zwischennutzung hinausging, sagt er und drängt auf feste Zusicherungen. Die Mieterstruktur müsse von der Politik nun kuratiert werden.
Für Klaus Lederer ist es dafür noch zu früh. Er habe eine Liste von bedrohten Kulturorten, von denen aber bei Weitem nicht alle in das neue Quartier umsiedeln können. Realistisch gesehen seien die Bauarbeiten vielleicht 2030 oder 2032 abgeschlossen, so Lederer. „Ich weiß nicht, welche Kulturorte es bis dahin überhaupt noch geben wird.“
Der Kultursenator blättert damit einen weiteren Fragenkatalog auf: Braucht Kultur in zehn Jahren noch die gleichen Räume wie heute? Atelierwohnungen etwa werden langfristig wichtig bleiben, sagt Lederer. Das Museum der Zukunft sieht womöglich aber schon anders aus, ohne große Sammlungen.
Trotz der langen Planungszeit wird es auf dem Gelände schon bald konkreter. Am 7. Juli stimmt eine Jury über die beiden Entwürfe ab, die den Molkenmarkt der nahen Zukunft imaginieren. Der Entwurf von Bernd Albers und Silvia Malcovati nähert sich dem historischen Molkenmarkt an. Das dänische Büro OS Arkitekter hingegen will mit Holz arbeiten und Abrisse – konkret das ehemalige Fernmeldeamt Ost-Berlins – möglichst vermeiden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen