Gezerre um AfD-Vorsitz: Fest und Kleinwächter kandidieren

Die AfD wählt in Kürze eine neue Spitze. Das Hauen und Stechen darum ist in vollem Gange. Nun wollen Nicolaus Fest und Norbert Kleinwächter antreten.

Portrait vom Nicolaus Fest.

Will nächster AfD-Chef werden: Publizist Nicolaus Fest Foto: IPON/imago images

BERLIN taz | Der EU-Parlamentarier und ehemalige Berliner Landes-Notvorstand Nicolaus Fest will als AfD-Chef kandidieren. In einem am Montagabend auf Facebook veröffentlichten Bewerbungsvideo spricht er davon, die Strömungen der Partei integrieren und in Kürze ein ausgewogenes Tableau für den Bundesvorstand präsentieren zu wollen. In anderthalb Wochen wählt die extrem rechte AfD im sächsischen Riesa auf ihrem 13. Bundesparteitag den Bundesvorstand neu. Nach einer Serie von Wahlniederlagen gab es im Vorfeld heftigen Streit und Gezerre um die Posten im 13-köpfigen Gremium.

Am Dienstag kündigte zudem der Fraktions-Vize im Bundestag, Norbert Kleinwächter, an, als Bundessprecher kandidieren zu wollen. Er wolle gegen den bisherigen Parteichef Tino Chrupalla antreten und den Delegierten eine „demokratische Alternative bieten“. Kleinwächter gilt als vermeintlich gemäßigt, warf kürzlich einem Kollegen „widerliche Putin-Propaga“ vor. Bisher stand nur Parteichef Chrupalla als Kandidat fest. Spekuliert wird zudem noch über eine Kandidatur von Fraktionschefin Alice Weidel.

In seinem Videostatement aus dem EU-Parlament sprach Fest nun davon, dass die Partei „in keinem guten Zustand“ sei, was sich auch in den Wahlergebnissen widerspiegele. Trotz vieler mobilisierungsfähiger Themen kämpfe man im Westen mit der Fünf-Prozent-Hürde. Er machte dabei den „internen Dauerstreit“ als eines der Hauptprobleme aus. Unerwähnt ließ er dabei allerdings die teilweise traditionell guten AfD-Beziehungen nach Russland sowie die gerichtlich bestätigte Einstufung der Partei als rechtsextremer Verdachtsfall durch den Verfassungsschutz.

Fest hat auch selbst bereits einige rassistische und antidemokratische Eklats auf dem Kerbholz: Nach dem Tod des bei De­mo­kra­t*in­nen durchaus beliebten EU-Parlamentspräsidenten David Sassoli schrieb Fest in einem internen Chat: „Endlich ist dieses Drecksschwein weg“. 2017 bezeichnete Fest Gastarbeiter als „Gesindel“. 2018 sprach er davon, Merkel nicht nur jagen, sondern auch „erlegen“ zu wollen. Fest hat sich bis heute nicht von diesen Äußerungen distanziert.

Flügel integrieren

Vor seiner Zeit als AfD-Politiker war Fest von 2001 bis 2014 beim Springer-Verlag: zuletzt als Kultur-Chef bei der Bild-Zeitung und stellvertretender Chefredakteur der Bild am Sonntag. 2017 verpasste der Jurist den Einzug über die Berliner Landesliste in den Bundestag, gelangte aber über die Bundesliste 2019 ins EU-Parlament. Der 59-Jährige ist der Sohn des 2006 verstorbenen langjährigen FAZ-Herausgebers und Hitler-Biografen Joachim Fest. Bereits als Notvorstand im Berliner Landesverband hatte Fest sich dafür ausgesprochen, alle Strömungen und damit auch den offiziell aufgelösten völkischen Flügel zu integrieren.

Auch der nach Jörg Meuthens Rücktritt derzeit allein an der Spitze stehende Chrupalla arbeitet seinerseits an einer Liste. Bei der letzten Vorstandswahl war Chrupalla vor allem mit Unterstützung aus dem völkischen Lager als Gegengewicht zu Meuthen angetreten. Dieses Mal wird spekuliert, ob Chrupalla darüber hinaus zusammen mit Alice Weidel antritt, mit der er ebenfalls die Bundestagsfraktion anführt. Weidel hat kürzlich angekündigt, nicht mehr als Landeschefin in Baden-Württemberg zu kandidieren. Einige deuten dies als Hinweis darauf, dass Weidel möglicherweise neben Chrupalla als Bundessprecherin kandidiert – Weidel wird intern häufig neben Faulheit auch Ämterhäufung vorgeworfen.

Das Hauen und Stechen in der AfD hat zuletzt deutlich an Schärfe gewonnen: Nach Wahlpleiten in Schleswig-Holstein und NRW sowie kontroversem Streit über dessen Russlandfreundlichkeit stand Parteichef Chrupalla zuletzt heftig in der Kritik: Parteiinterne Geg­ne­r*in­nen um die AfD-Bundestagsabgeordnete Joana Cotar und Reste des Meuthen-Lagers hatten ihn öffentlich scharf kritisiert und ihm die Wahlschlappen bei sämtlichen Wahlen seit 2019 angelastet – exakt der Zeit, seit Chrupalla Bundessprecher ist. Der Sachse kritisierte seine Kritiker wiederum eher unsachlich.

Kalbitz-Comeback und Höcke-Kandidatur?

Aber auch wenn Joachim Wundrak, ehemaliger General, aus dem Meuthen-Lager kürzlich bereits Kleinwächter als „neues Gesicht“ für den Vorsitz ins Spiel gebracht hat, sind dessen Aussichten fraglich. Er selbst rechne mit einem knappen Ergebnis, wie Kleinwächter am Dienstag sagte. Kleinwächter ist von Beruf Lehrer und ein eloquenter, aber eher unbekannter Politiker mit Schwerpunkt Außenpolitik, der zuletzt zwar scharf die Putin-Propagandisten in der eigenen Partei kritisierte, dem es aber bereits an Unterstützung im eigenen Landesverband fehlt. In Brandenburg spielt noch immer der aus der AfD ausgeschlossene Rechtsextremist Andreas Kalbitz eine große Rolle. Ein seit seinem Ausschluss geltendes Auftrittsverbot auf AfD-Veranstaltungen will der Brandenburger Landesvorstand um Birgit Bessin gerne per Antrag kippen.

Ebenso soll in Riesa darüber debattiert werden, ob es künftig bei einer Doppelspitze bleiben solle oder ob ein alleiniger Parteichef die AfD führen soll – zumal die proporzmäßig besetzte Doppelspitze stets Garant für Konflikte war. Zuletzt sorgte deswegen besonders ein Antrag von Björn Höcke für Aufsehen, weil der Thüringer Rechtsextremist eine Einerspitze beantragt hat, für die es eine Zwei-Drittel-Mehrheit braucht.

Gut möglich, dass Höcke damit auch seine Chance für einen Platz im Bundesvorstand oder gar die Sprecherposition ausloten will. Der Vorsitz oder auch nur eine erfolgreiche Kandidatur Höckes für den Vorstand dürfte dabei ein innerparteiliches Beben nach sich ziehen. Zuletzt wurde Höcke in Berlin gesichtet. Er soll mit verschiedenen Bundestagsabgeordneten Gespräche geführt haben.

Die meisten halten eine Kandidatur Höckes jedoch für unwahrscheinlich. Mit dem Vorstand liebäugelte er schon häufiger, er machte aber nie ernst. Selbst dessen Un­ter­stüt­ze­r*in­nen gehen davon aus, dass Höcke die Mehrheiten dafür fehlen dürften. Eine Niederlage bei der Vorstandswahl hingegen würde ihn stark beschädigen, sind sich viele in der AfD sicher. Möglich erscheint allerdings, dass Höcke sich Chancen auf einen der hinteren Beisitzer-Plätze ausrechnet.

Für den Vorsitz gilt zudem noch Rüdiger Lucassen als möglicher Kandidat, der das Amt seinerseits nicht in einer Doppelspitze ausfüllen wolle. Lucassen ist ehemaliger NRW-Landeschef und Bundeswehr-Offizier. Dem 70-Jährigen wird ein gutes Verhältnis zum Nachwuchs-Rechtsradikalen Matthias Helferich nachgesagt, der sich selbst „freundliches Gesicht des NS“ genannt hatte und dennoch kürzlich vom Landesschiedsgericht entlastet wurde.

Zudem wurde eine Zeit lang Peter Boehringer aus dem Landesverband Bayern für eine Sprecherposition gehandelt. Boehringer ist neoliberaler Haushaltspolitiker und Mitglied der Hayek-Gesellschaft und hat sich während der Pandemie vor allem als Verschwörungsideologe hervorgetan. Am Montag sagte er in einem Statement allerdings, er stünde für den Vorsitz nicht mehr zur Verfügung, könnte sich aber weiter einen Platz im Vorstand vorstellen.

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