Kürzung für Aidshilfe Niedersachsen: „Kein guter Zeitpunkt“

Die Aids-Hilfe in Niedersachsen muss künftig mit weniger Geld auskommen. Dabei steigt der Bedarf an Unterstützung durch Geflüchtete aus der Ukraine.

Eine Hand in der eine rote Schleife als Symbol der Solidarität mit Aids-Kranken liegt.

In Niedersachsen vermisst die Aidshilfe Solidarität mit Aids-Kranken in Form von Zuwendungen Foto: Arne Dedert/dpa

HAMBURG taz | Jetzt – da ist sich die Aidshilfe Niedersachsen sicher – sei kein guter Zeitpunkt, um die Mittel für die HIV-Prävention im Land zu kürzen. Denn angesichts der Menschen, die aus der Ukraine nach Deutschland flüchten, steige der Bedarf an Präventions- und Versorgungsarbeit im Land, heißt es von der Aidshilfe. In der Ukraine ist die HIV-Inzidenz 13-mal höher als in Deutschland.

Bisher will die rot-schwarze Landesregierung die lange beschlossene Kürzung dennoch umsetzen. Bis 2024 müsste die Aidshilfe dann mit 113.000 Euro weniger auskommen.

Der Verband betreut Betroffene in ihrem Umgang mit der Infektion und stärkt sie in der Selbsthilfe. Zudem leistet er präventive Aufklärung über Geschlechtskrankheiten und das Leben mit HIV, zum Beispiel an Schulen. Dabei deckt die Aidshilfe alle sexuell übertragbaren Krankheiten wie HIV oder Syphilis ab, für die sie ebenso kostenlose Tests anbieten.

Christin Engelbrecht von der Aidshilfe Niedersachsen empfindet die Kürzungen der Gelder als verantwortungslos. Bereits jetzt könne der Bedarf nicht gedeckt werden. „Auf einen weiteren Zuwachs ist unser Versorgungssystem nur bedingt ausgelegt“, sagt Engelbrecht. Die Aidshilfe müsse nicht nur allgemein mehr Betroffene abdecken, sondern sich auch auf neue Zielgruppen einstellen. In der Ukraine betrifft die Infektion vermehrt Kinder und Frauen. Das Hilfesystem in Niedersachsen hingegen sei vor allem auf Präventionsarbeit im Schul- und Drogenbereich sowie auf marginalisierte Gruppen wie Sex­ar­bei­te­r:in­nen und Schwule ausgerichtet.

Unterstützung für Geflüchtete

Niedersachsen hat schon einmal darauf reagiert, dass viele Geflüchtete ins Land gekommen sind – und ab 2016 die Gelder für die Aidshilfe jährlich um rund 200.000 Euro erhöht. Das aber war befristet. Nun sind weniger zusätzliche Mittel vorgesehen. Im kommenden Jahr reduziert die Landesregierung die Mittel um 75.000 Euro, 2024 um weitere 38.000 Euro.

Weil der Etat damit immer noch über dem ursprünglichen Etat von 2015 liegt, will das zuständige Sozialministerium dieses Argument nicht gelten lassen. Zudem finanziere das Land eine Testkampagne, durch die sich Menschen in den Einrichtungen der Aidshilfe kostenlos auf sexuell übertragbare Infektionen testen lassen können, sagt ein Ministeriumssprecher.

Den Mehrbedarf sieht allerdings auch das Land: Es müsse „mit einem Anstieg von HIV-positiven Menschen in Deutschland und somit auch in Niedersachsen“ gerechnet werden. Deren Versorgung sei durch das Asylbewerberleistungsgesetz gedeckt. Dieses gewährleistet unter anderem die uneingeschränkte ärztliche Versorgung von Schutzsuchenden.

Die Grüne Meta Janssen-Kucz kritisiert, dass das Land die Mittel in der Vergangenheit nur anlassbezogen erhöhte, jetzt aber nicht reagiere. Sie fordert, dass „der Etat der Aidshilfe jährlich um vier Prozent erhöht“ werde.

Engelbrecht glaubt, dass das Land Versorgungsengpässe in Kauf nimmt. Sie meint damit auch die Geflüchteten, die seit 2015 nach Niedersachsen gekommen sind. „Die Menschen, für die wir die Gelder bekommen haben, leben hier jetzt“, sagt sie „und das Land kann nicht so tun, als gäbe es sie nicht mehr“.

Hinzu kämen nun eben Menschen aus der Ukraine: In der Praxis erlebe sie, dass diesen sehr daran gelegen sei, ihre Medikation sicherzustellen. Die Aidshilfe unterstützt dabei und vermittelt sie an Ärz­t:in­nen weiter.

Die medizinische Versorgung dürfe durch die Flucht nicht unterbrochen werden, sagt Engelbrecht. Nicht in jedem Fall ist HIV heute noch ansteckend: Betroffene liegen durch die richtige Einnahme der Tabletten unter der Nachweisgrenze. Eine Übertragung der Infektion ist dann ausgeschlossen.

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