Diskussion über Berlin seit der Wende: Von Hybris und Holzmarkt

Wer hat Berlin verändert seit 1989? Auf dem Holzmarktgelände diskutieren der Filmemacher Florian Opitz und Ex-Justizsenator Wolfgang Wieland.

Blick auf das Tacheles-Gebäude

Ikone des wilden Berlins der 90er: das Tacheles, hier 1997 Foto: dpa

BERLIN taz | Es ist natürlich ein Ding der Unmöglichkeit, die letzten drei Jahrzehnte Berlins in gerade mal einer Stunde Diskussion abzuhandeln. Aber unterhaltsam kann das schon sein, denn unmögliche Dinge möglich zu machen und dann daran zu scheitern, ist ja geradezu das Motto dieser Stadt in der jüngsten Vergangenheit.

So saßen am Dienstagabend der erste grüne Justizsenator Berlins Wolfgang Wieland und der Filmemacher Florian Opitz zusammen in einem Nebenraum des Holzmarkt-Geländes und tauschten sich aus. Anlass war zum einen das zehnjährige Bestehen der Holzmarkt-Genossenschaft, das seit Samstag auf dem Gelände an der Spree ausgiebig zelebriert wird; zum anderen eine vierteilige Dokuserie von Opitz, die Anfang 2023 im RBB laufen soll.

In der Serie will Opitz untersuchen, welche Kräfte und Dynamiken Berlin seit der Wende verändert haben. Angesichts des Orts der Debatte – der Holzmarkt gilt als ein Symbol gegen die Gentrifizierung – überraschte es wenig, dass am Schluss des Abends die Forderung nach Erhalt der letzten Freiräume stand, schließlich hätten allein sie für die globale Attraktivität der Stadt gesorgt.

Passend dazu gab Wieland die Parole aus: „Ein Holzmarkt in Berlin ist zu wenig.“ Wer sich fragt, was das grüne Urgestein mit dem Neohippies an der Spree verbindet: Wieland hatte bei einigen Streitigkeiten zwischen der Genossenschaft und dem grün regierten Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg versucht zu vermitteln.

Natürlich verfügte keiner der Diskutanten über ein Patentrezept, wie diese Freiräume, die seit dem Boom des Immobilienmarkts seit etwa 2010 nach und nach verschwinden, erhalten werden können. Schließlich besteht der Reiz dieser Freiräume (deren Verschwinden übrigens seit etwa 2000 beklagt wird) genau ihn ihrer Vergänglichkeit; zudem werde Berlin, wie Opitz feststellte, seit 2010 nicht mehr von der Politik, sondern „vom Kapital regiert“. Und dagegen haben es ja alle schwer.

Steile Thesen

Auch der Ex-Justizsenator wagte einige steile Thesen, die aus seinem Munde doch etwas überraschend klangen. So vergleiche er Berlin gerne mit Italien. „Eigentlich funktioniert nichts, trotzdem wollen alle dorthin!“ Stichwort BER, Amtstermine, Wahlen. Das ist letztlich nichts anderes als das übliche Bashing von Berlin als „failed city“. Doch wird das der Stadt wirklich gerecht?

Am Ende standen die Fragen, wie groß das Renitenzpotenzial – also die Widerspenstigkeit – in der Stadt noch ist und ob Berlin eine „normale“ Stadt ist, etwa verglichen mit Köln. Die Antwort auf die erste Frage blieben Opitz und Wieland schuldig, aber in Punkt 2 war der Filmemacher ganz klar: „Berlin wird nie als normale Stadt gesehen.“ Und das lässt doch hoffen.

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