Netter Mann darf weiter regieren

Die CDU gewinnt mit Daniel Günther die Landtagswahl in Schleswig-Holstein klar. Damit beschert der Ministerpräsident dem Mann einen ersten Sieg, den er als Parteichef am liebsten verhindert hätte: Friedrich Merz

Freude ins Gesicht geschrieben: Daniel Günther am Wahlabend Foto: Christian Charisius/dpa

Aus Kiel und Berlin Esther GeißlingerundSabine am Orde

Auf diesen Abend dürften sich in der Berliner CDU-Zentrale alle gefreut haben. Seit Wochen haben die Umfragen der Partei vorhergesagt, dass hier an diesem Sonntag ein Sieg verkündet werden könne, endlich mal wieder. Um kurz vor halb sieben, ARD und ZDF haben die ersten Prognosen veröffentlicht, steht Generalsekretär Mario Czaja auf der kleinen Bühne im Adenauer-Haus und lächelt. „Schleswig-Holstein hat Daniel Günther und der CDU das Vertrauen ausgesprochen“, sagt Czaja. Und: „Wir, die Führung der CDU Deutschlands, freuen uns wahnsinnig.“

Es ist Czajas zweiter Auftritt dieser Art, vor sechs Wochen musste er hier eine dramatische Niederlage im Saarland verkünden. Die Christ­de­mo­kra­t:in­nen und ihr neuer Parteichef Friedrich Merz brauchten nun dringend einen Erfolg. Und Auftrieb für das wichtige Nordrhein-Westfalen, wo am kommenden Sonntag ein neuer Landtag gewählt wird und es knapp wird für die CDU und ihren Ministerpräsidenten.

Daniel Günther hat diesen Erfolg geliefert – und mehr als das. Er hat die Landtagswahl nicht nur gewonnen, die CDU hat unter seiner Führung auch satt zugelegt, auf über 40 Prozent.

Ausgerechnet Günther.

Daniel Günther, 48, bekennender Anhänger der ehemaligen Kanzlerin Angela Merkel, gehört zum liberalen Flügel der CDU. Und zu denen, die Friedrich Merz als Parteichef gerne verhindert hätten. So wie Merz sicher anderen Parteifreunden lieber glänzende Wahlsiege gewünscht hätte. Doch nach viel Streit, zwei verschlissenen Che­f:in­nen in Berlin und dem Machtverlust bei der Bundestagswahl ist beiden klar: Soll es mit der CDU nicht noch weiter abwärtsgehen, muss die interne Spaltung überwunden werden. Inzwischen lobt Günther Merz und Merz Günther. Dieser sei ein „hoch anerkannter, beliebter Ministerpräsident“, so der CDU-Chef etwa bei einer Wahlkampfrede in Pinneberg.

Dabei kannten Günther noch vor fünf Jahren bei Weitem nicht alle Menschen in Schleswig-Holstein – und erst recht kaum jemand außerhalb der Landesgrenzen. Zur Spitzenkandidatur kam er damals eher zufällig. Heute ist Günther laut Umfragen der beliebteste Ministerpräsident bundesweit und eine feste Größe in der Bundespartei. Nach dem Wahlsieg könnte sein Einfluss dort weiter steigen. Wie hat der Mann das gemacht?

Als Günther 2017 die CDU in den Landtagswahlkampf führte, weil der designierte Kandidat aufgrund mieser Umfragewerte überraschend hinwarf, hatte er bereits eine lange Parteikarriere hinter sich, war Landesgeschäftsführer, Landtagsabgeordneter und ab 2016 Vorsitzender der Schleswig-Holstein-CDU. Zu dem Zeitpunkt regierte die SPD mit den Grünen und der Minderheitenpartei SSW, die „Küstenkoalition“ genoss einen soliden Ruf. Die CDU litt unter Strukturschwächen: zu alt, zu männlich, zu ländlich.

Günther trat an, um die Partei zu modernisieren und auch, um sie für Frauen attraktiver zu machen. Nach dem Wahlsieg bildete er mit Grünen und FDP eine Jamaika-Koalition. Er holte Karin Prien aus Hamburg als Bildungsministerin in sein Kabinett und setzte sich für eine Quote ein. Die Basis, obwohl konservativer als Günther, ging mit.

Die Jamaika-Koalition arbeitete erfolgreich und ohne viel Streit, die Coronapandemie überstand das Land vergleichsweise gut

Einen Teil seines Erfolgs hat der Ministerpräsident aber auch seinem Image und seiner Art zu verdanken. Der Mann wirkt nett und verbindlich, hat den Ruf, zuhören zu können. In den vergangenen Wochen war er gefühlt überall in Schleswig-Holstein unterwegs: auf Podien, in großen Hallen und Fußgängerzonen. Etwa in seiner Heimatstadt Eckernförde an der Ostsee, in der der 48-Jährige auch als Direktkandidat angetreten ist. Mitten im Gedränge, zwischen Wochenmarktständen und Schaufensterscheiben, stand der Ministerpräsident und verteilte Flyer. Viele Pas­san­t:in­nen brauchten einen zweiten Blick, um den Blondschopf mit Brille und dem stets so freundlichen Lächeln zu erkennen. Falls Personenschützer in der Nähe waren, hielten sie sich zurück – mehr Bürgernähe geht kaum.

Im Kabinett sei unter seinem Vorsitz die Atmosphäre vertrauensvoll und offen, so schildern es Teilnehmer:innen. Das hat sich ausgezahlt: Die Kieler Jamaika-Koalition arbeitete erfolgreich und ohne viel Streit, die Coronapandemie überstand das Land vergleichsweise gut. Das Ergebnis von so viel Harmonie allerdings sei ein „inhaltsleerer Wahlkampf“ gewesen, kritisierte der Grüne Rasmus Andresen.

Die meisten Menschen im Land würden gerne nicht nur ihren Ministerpräsidenten, sondern auch die Jamaika-Koalition behalten, ergaben Umfragen. Doch danach sieht es nicht aus. Zwar hat der CDU-Mann mehrfach angekündigt, er wolle mit Schwarz-Grün-Gelb weiterregieren, am Wahlabend lobte er unter begeisterten „Daniel, Daniel“-Rufen seiner Anhänger.innen auch die beiden Koalitionspartner. Doch Günther wird nun nur einen von ihnen brauchen – entweder die deutlich gestärkten Grünen oder die FDP, die verloren hat. „Wir werden mit beiden Koalitionspartnern sprechen“, sagte Günther.

Auch in der Bundespartei wolle er sich nach der Wahl stärker engagieren, hatte Günther der taz jüngst im Interview gesagt. Sollte nach ­Tobias Hans im Saarland auch CDU-Ministerpräsident Hendrik Wüst in Nordrhein-Westfalen die Wahl am kommenden Sonntag verlieren, bliebe Daniel Günther den ­Christdemokraten als Zukunftsgesicht.