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Offensiven in der OstukraineNeue Brennpunkte des Leids

Die UN hofft auf Waffenruhe, Russland spricht vom dritten Weltkrieg – und greift weiter an. Auch Transnistrien könnte zu einem Hotspot werden.

António Guterres wirbt am 26.04.2022 in Moskau für Waffenruhe, Sergej Lawrow scheint desinteressiert Foto: Maxim Shipenkov/reuters

UN-Generalsekretär António Guterres hat sich bei einem Treffen mit dem russischen Außenminister Sergei Lawrow am Dienstag in Moskau für eine rasche Waffenruhe und ein Ende des Krieges in der Ukraine ausgesprochen. Er habe ein Interesse daran, alles zu tun, um den Krieg und das Leiden der Menschen zu beenden, sagte er. Zudem müssten die Vorwürfe schwerer Kriegsverbrechen gegen die russischen Streitkräfte unabhängig untersucht werden. Am Dienstagnachmittag sollte Guterres Präsident Wladimir Putin treffen, am Donnerstag wird er in Kiew erwartet.

Am Montagabend hatte sich Lawrow auf dem Ersten Kanal in der Sendung „Das große Spiel“ zu der Möglichkeit eines Atomkriegs geäußert. Moskau wolle nicht, dass die Risiken künstlich aufgebauscht würden, aber es gebe doch so einige, die dies beabsichtigten. Dennoch sei die Gefahr real und dürfe nicht unterschätzt werden. Mit ihren Waffenlieferungen wollten westliche Staaten die Ukrainer zwingen, bis zum letzten Soldaten gegen Russland zu kämpfen, und sei es auch nur, weil sie hofften, dass Russland mehr und mehr unter diesem Krieg leide, sagte Lawrow.

Unterdessen dauerte die Offensive russischer Truppen im Osten der Ukraine an. Am Dienstag schlugen auf dem Gelände eines Betriebs in Saporischschja zwei russische Raketen ein. Das berichtete das ukrainische Nachrichtenportal Zerkalo Nedeli (ZN) unter Berufung auf die Bezirksregierung von Saporischschja. Dabei sei eine Person getötet und eine weitere verletzt worden. Die Zahl der Opfer könne noch steigen.

Zudem rücke russisches Militär weiter auf die Stadt vor, ukrainische Streitkräfte bereiteten sich auf einen Angriff auf Saporischschja von Süden her vor. Laut Berichten der lokalen ukrainischen Nachrichtenagentur ­inform.zp.ua seien am Dienstagmorgen zwei russische Marschflugkörper über dem Atomkraftwerk in Energodar gesichtet worden.

Großangriff in Nikolajew erwartet

Auch die Stadt Nikolajew rüstet sich für den Ernstfall. „Wir erwarten einen Großangriff oder eine Belagerung der Stadt“, sagte der Bürgermeister von Nikolajew, Aleksandr Senkewitsch, dem Nachrichtenportal Ukrainska Prvada. Man beobachte, dass russische Truppen von der Krim massenhaft Waffen und militärisches Gerät in die Region von Cherson brächten.

In dem Gebiet Luhansk, das russische Truppen angeblich zu 80 Prozent kontrollieren, gingen die Kämpfe ebenfalls weiter. Angaben des Gouverneurs Sergei Gaidai zufolge sollen russische Truppen in der Stadt Rubischne Kinder in ihre Gewalt gebracht und deren Müttern gedroht haben, diese zu erschießen, sollten sie nicht Informationen über Militärstellungen ukrainischer Soldaten preisgeben.

Zu einem weiteren Hotspot könnte auch die von der Republik Moldau und von Russland kontrollierte Region Transnistrien werden. Einem Bericht der russischen staatlichen Nachrichtenagentur RIA zufolge erklärte das Außenministerium am Dienstag, Russland wolle ein Szenario vermeiden, bei dem es gezwungen sei, in Transnistrien zu intervenieren. Von den rund 470.000 Ein­woh­ne­r*in­nen haben mehr als 200.000 russische Pässe.

In den vergangenen 24 Stunden hatten lokale Behörden mehrere Explosionen gemeldet. Neben dem Hauptquartier der Staatssicherheit in Tiraspol war auch das Dorf Majak betroffen, wo zwei Sendemasten noch aus Sowjetzeiten beschädigt wurden. In Transnistrien wurde die Terrorwarnstufe auf Rot angehoben, Moldaus Präsident Maia Sandu berief eine Sitzung des Nationalen Sicherheitsrats ein. Der moldauische Abgeordnete Oazu Natoi sieht russische Geheimdienste hinter den Explosionen am Werk. Diese versuchten die Situation anzuheizen, um Kiew zu zwingen, einen Teil seiner Truppen in Richtung Transnistrien umzulenken, sagte er dem Portal insider.ru.

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5 Kommentare

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  • signale, ...

    daß die welt morgen eine friedlichere sein wollte ... fehlanzeige.

  • Und das hatte mir eine jetzt in Deutschland lebender Ukrainerin geschickt.

    Das hat ein junger Ukrainer auf seine Schutzweste geschrieben.

    Боже милий, якщо я помру молодим, візьми мене до раю, як я вже сам був у пеклі

    Lieber G'tt, wenn ich jung sterbe, nimm mich mit in den Himmel, denn ich war schon selbst in der Hölle

    imgur.com/a/Cube5eE

  • "Mit ihren Waffenlieferungen wollten westliche Staaten die Ukrainer zwingen, bis zum letzten Soldaten gegen Russland zu kämpfen"

    Dazu gab einen sehr interessanten Bericht, wen Putin in den eigenen ersten Kampflinien einsetzt und sterben lässt. Vor allem ethnische und religiöse Minderheiten, vor allem aus armen Regionen wie Dagestan, Buryatia oder Nord-Ossetien.

    ridl.io/en/who-is-...the-russian-world/

  • Wenn Putin wirklich noch Odessa einnehmen will, wäre es bis Tiraspol nur noch 100 km und da stehen ja schon russische "Friedenstruppen."

    An der "Grenze" zu Moldavien gibt es schon Autoschlangen.



    www.reddit.com/r/U...p&utm_source=share

    Und in verschiedenen russischen Medien wurde ja schon gesagt, Transnistrien, vielleicht auch Gagausien oder gleich ganz Moldavien wären weitere mögliche Ziele.

  • Die Stadt heißt offiziel Mykolajiw und nicht Nikolajew: de.wikipedia.org/wiki/Mykolajiw