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„WirsindimMomentgeradenichtvollerHoffnung“

Debora Fiora und Gabriel Hageni betreiben seit 18 Jahren im Berliner Stadtteil Prenzlauer Berg ein kleines Kino für den russischen und osteuropäischen Film. Seit dem Krieg in der Ukraine stellen sie sich viele Fragen. Ein Gespräch über Sehnsüchte und Abschiede, Verletzungen und Boykotte

Interview Susanne Messmer Fotos Doro Zinn

taz am wochenende: Frau Fiora Herr Hageni, in Ihrem kleinen Programmkino Krokodil im Berliner Stadtteil Prenzlauer Berg lief gerade als Reaktion auf den Krieg eine Reihe mit Dokumentarfilmen aus der Ukraine. Wie haben Sie das denn so schnell auf die Beine gestellt?

Debora Fiora: Zwei, drei Wochen vor dem Krieg haben wir die Regisseurin Veronika Glasunowa kennengelernt. Sie hat den Dokumentarfilm „Langes Echo“ gemacht – ein beeindruckender Film über den Alltag in einer ehemaligen Zechenarbeiterstadt im Donbass. Einer der Protagonisten ist Taxifahrer. Seine Perspektive ist interessant, denn er kommt ursprünglich aus Tansania, ein ehemaliger Austauschstudent. Der Film sollte eigentlich schon zu Beginn des ersten Lockdowns in die Kinos kommen, dann hat ihn der Verleih aber fürs Streaming ausgewertet. Wegen der russischen Panzer an der Grenze wollten wir ihn dann aber trotzdem wenigstens einmal zeigen und die Regisseurin ins Kino einladen. Das war der erste Baustein, und dann kam der Krieg.

Viele der Filme, die Sie gezeigt haben, befassen sich mit der Annexion der Krim und dem Konflikt im Donbass vor acht Jahren. Interessiert das heute überhaupt noch jemanden?

Fiora: Diese Filme sind gerade wieder sehr aktuell. Trotzdem war es ja ein Paket von sieben Filmen, nicht gerade leichte Kost. Wir waren überrascht, dass das Publikum die Reihe so gut angenommen hat. Es waren erstaunlicherweise viele da, die drei oder vier Filme angesehen haben.

Sie sind Spezialistin für den russischen und osteuropäischen Film. Wie geht es gerade dem Film aus der Ukraine?

Fiora: Wir wollten schon einmal vor zehn Jahren eine ukrainische Filmreihe machen. Und das war damals noch wahnsinnig schwer. Es gab deutlich weniger Sachen – und plötzlich entsteht da eine ganze Generation, die unglaublich starke Filme macht.

Können Sie ein bisschen beschreiben, wer sich bei Ihnen solche Filme anschaut?

Fiora: Unser Publikum ist sehr durchmischt. Es gibt viele Jüngere, von denen man nicht weiß, welchen kulturellen Hintergrund sie haben. Aber es sind schon einige darunter, die sich miteinander auf Russisch unterhalten. Die jüngste russische Generation, die im Ausland studiert hat, spricht mit ihren europäischen Freunden ja oft fast akzentfrei Englisch. Da gibt es schon gewaltige Unterschiede zu dem jungen russischen Publikum vor 18 Jahren.

Sind Menschen darunter, die gerade aus der Ukraine geflüchtet sind?

Fiora: Es gab ein paar, bei denen wir das mitbekommen haben. Wir haben viele Gäste, die noch studieren oder die sich beruflich mit Osteuropa beschäftigen. Aber gerade letztens hatten wir zu einem Workshop eine Gruppe geflüchteter ukrainischer Kinder zu Gast. Ihre Begleiterinnen gehörten zu einer Initiative von russischsprachigen Leuten. Wir sind froh, wenn unser Kino ein Ort des Austauschs ist.

Gabriel Hageni: Das Kino kämpft ja mit der Überalterung seines Publikums. Aber seit Corona spüren wir eine ganz unverhoffte Verjüngung, die wir uns noch gar nicht richtig erklären können. Und das, obwohl wir in den sozialen Medien nicht besonders aktiv sind und Kino ja ein anderes Medium ist als das tagesaktuelle Fernsehen. Filme haben ja eine unheimlich lange Vorlaufzeit. Im Zweifel könnte man sagen, wenn die Filme fertig sind, sind sie nicht mehr aktuell.

Stimmt das?

Hageni: (lächelt) Es ist natürlich ein Trugschluss. Im künstlerischen Dokumentarfilm steht ja keine journalistische Botschaft im Vordergrund. Deshalb lässt sich immer wieder Neues aus den Bildern erschließen.

Wie gehen Sie denn jetzt als Kinomacher mit dem Krieg um?

Hageni: In einem der Dokumentarfilme, die wir gezeigt haben, in „Close Relations“ von Vitaly Mansky, kommt eine sehr bezeichnende Szene vor. Da berichtet eine Frau, dass sie sich Anfang der 1990er in Moskau ein Plakat mit einem Bild des Regisseurs Nikita Michalkow gekauft hat, das dann über 20 Jahre über ihrem Esstisch hing. Nach dem Ausbruch des Kriegs hat sie es abgehängt. Seit den Kriegsereignissen schauen wir alle Filme plötzlich mit ganz anderen Augen. Plötzlich entdeckt man in einem 30 Jahre alten Film aktuelle Themen wie den russischen Kolonialismus, über den früher niemand zu sprechen wagte.

Fiora: Andererseits gibt es auch Filme, die man früher unproblematisch fand und die man jetzt hinterfragen muss. Da entstehen jetzt ganz neue kulturelle Debatten.

Sie haben ja als Kino für den russischen Film angefangen und dann das Programm auf osteuropäische Produktionen erweitert. Wie stehen Sie denn zum Boykott russischer Kultur, für den sich jetzt nicht nur in der Ukraine einige Veranstalter entscheiden?

Fiora: Wir finden das wahnsinnig schwer.

Hageni: Ich habe Verständnis, wenn zum Beispiel das ukrainische Filmarchiv auf seiner Webseite zum Boykott aufruft. Andererseits bietet das Archiv explizit Streifen von Dsiga Wertow an. Während des Holodomors verhungerten Millionen Menschen und der Mann hat parallel den Film „Drei Lieder über Lenin“ gedreht. War der mit jüdischen Wurzeln in Białystok geborene Dsiga Wertow ein ukrainischer Filmemacher? Nationale Begriffe taugen da nicht. Gleichzeitig wird der ukrainische Regisseur Sergej Losnitza aus der ukrainischen Filmakademie ausgeschlossen, weil er zwar Putin und den Krieg verurteilt hat, aber nicht alle russischen Kollegen.

Wo ziehen Sie in Ihrem Kino die Grenzen?

Hageni: Für uns stellt sich gerade vor allem die Frage, wer am Ende das Geld verdient. Wir möchten dem russischen Staat gerade kein Geld überweisen, also schließt sich eine Zusammenarbeit zum Beispiel mit dem staatlichen russischen Filmarchiv aus.

Das klingt, als würden Sie es sich nicht leicht machen?

Hageni: Das sind alles wahnsinnig schwierige Fragen, mit denen wir auch schon vor dem Krieg andauernd konfrontiert waren.

Fiora: Auch in anderen Ländern sieht es politisch ziemlich düster aus. Trotzdem zeigen wir auch Filme aus solchen Ländern.

Das heißt: Auch staatstragende Filme können interessant sein?

Hageni: Ja, einerseits, um das System zu verstehen. Und dann gibt es noch andere vielleicht nicht ganz so staatstragende Filme, wo man zwischen den Zeilen lesen kann.

Gehört denn jetzt jeder Streifen aus Russland ganz neu auf den Prüfstand?

Hageni: Also ja. Aber ich weiß nicht. Vielleicht … vielleicht sollte man das jetzt nicht zu stark in den Mittelpunkt stellen. Es ist ja wirklich eine Notsituation. Man muss mit den Verletzungen der Leute aus der Ukraine respektvoll umgehen.

Aber würden Sie deshalb kritische russische Filme boykottieren?

Hageni: Wir waren gerade erst beim Go-East-Festival in Wiesbaden. Da haben einige russische Filmemacher ihre Filme selbst zurückgezogen. Sie sind extrem zurückhaltend und meinen, man sollte das alles den Ukrainern überlassen. Andererseits lief dort zum Beispiel Ruslan Fedotovs „Where are we headed“, ein Dokumentarfilm, bei dem es wirklich schade gewesen wäre, wenn er nicht gelaufen wäre. Der Regisseur, der übrigens aus Weißrussland kommt, beobachtet einfach nur das Leben der Menschen in der Moskauer Metro und kommt ihnen dabei erstaunlich nah. Man sieht die Allgegenwart der Polizei, den Rassismus, die Müdigkeit, aber auch, wie inbrünstig dort militärische Feiertage begangen werden: den Tag des Sieges, den Tag der Fallschirmjäger. Und man sieht auch viel Liebe.

Aber gibt es auch russische Filme, die Sie derzeit absolut nicht zeigen würden?

Das Kino Krokodil

Das Lichtspielhaus eröffnete 1912 mit 242 Plätzen und wurde 2004 als Kino Krokodil mit 99 Plätzen wiedereröffnet. Zunächst liefen Filme aus Russland, seit 2008 auch Filme aus Osteuropa. Es befindet sich in der Greifenhagener Straße 32, in jenem nördlichsten Teil von Berlin-Prenzlauer Berg, der noch am wenigsten schick und teuer wirkt.

Die Betreiber Debora Fiora wurde 1978 in Italien geboren, studierte an der Universität Turin Russistik, Germanistik, Polonistik mit Schwerpunkt auf Gegenwartsprosa und literarischer Übersetzung. Zweitstudium am Osteuropa Institut der Freien Universität Berlin. Masterarbeit über die Analyse von Docufiction und hybriden Formen von Spiel- und Dokumentarfilm am Beispiel der russischen Mockumentary „Die ersten auf dem Mond“ (2005). Gabriel Hageni wurde 1972 in Sachsen geboren, studierte Kunstgeschichte und nach verschiedenen Stationen in Russland wie beispielsweise bei einer Kirchgemeinde in Kaliningrad und einer Künstlerkolonie bei Nowgorod Weliki auch Osteuropastudien in Berlin. Im Jahr 2004 initiierte er die Eröffnung des Berliner Kinos Krokodil. Die beiden sind ein Paar. (sm)

Fiora: Vielleicht einen Film wie „Brat/Bruder“, den ersten erfolgreichen russische Mainstreamfilm von Alexej Balabanow aus dem Jahr 1997, die Geschichte eines jungen Heimkehrers aus dem Tschetschenienkrieg in eine von neuem Kapitalismus und Kriminalität zerstörte Welt. Da ist eigentlich alles zu sehen, was heute viele im Westen überrascht, die Xenophobie, konkret das Reden über „Schwarzärsche“, der Antisemitismus und der Hass auf die westliche Welt. Zerstörtes Selbstwertgefühl und einfache Antworten auf komplizierte Fragen …

Also wollen Sie doch weiter schwierige russische Filme zeigen?

Hageni: Natürlich müssen wir irgendwann wieder anfangen und uns all dem wieder aussetzen, den Konflikten stellen.

Fiora: Aber man wird Filme wie diese in Zukunft noch stärker reflektieren müssen, um sie zu zeigen – sei es durch einen guten Text im Programmheft oder durch ein Publikumsgespräch danach.

Herr Hageni, wie sind Sie eigentlich zu Ihrer Liebe zum russischen und zum osteuropäischen Film gekommen?

Hageni: Ich komme aus Ostdeutschland, aus einem Dorf bei Freiberg in Sachsen, aus einem Pfarrerhaus. Also, ich habe Kino erst einmal nicht in so sonderlich schöner Erinnerung. Wir mussten zum Kino in die Stadt fahren, oft mit der ganzen Klasse. Und wenn wir privat fuhren, den Personalausweis an der Kinokasse hochhalten, um Filme, die erst ab 16 oder ab 18 waren, zu sehen. Weil es den Personalausweis auf dem Land als Klassensatz gab, hatte ich den schon mit 13 Jahren, wollte natürlich rein, war aber schrecklich klein und flog schon allein deshalb raus. Da gab es zum Beispiel einen komischen italienischen Softporno im sozialistischen Verleih, da habe ich ziemlich oft Anlauf nehmen müssen, um den zu sehen. Später war ich dann in einem kirchlichen Umweltkreis – und da hörten wir dann von den russischen Perestroika-Filmen, von denen manche 1988 in der DDR aus dem Verleih geflogen waren. Das wussten wir aus dem Westradio. Das, was man dann nach dem Mauerfall sehen konnte, prägte uns also stark.

Wie sind Sie zum ersten Mal nach Osteuropa gereist?

Hageni: Wir waren mit unserer Familie immer viel in Osteuropa unterwegs, am häufigsten in Siebenbürgen in Rumänien, eine exotische und archaische Welt. Die baltischen Sowjetrepubliken kenne ich aus dem Sommer 1989. Da gab es dort schon Demonstrationen gegen die Sowjetmacht. Für uns unvorstellbar. Es gab auch eine Klassenfahrt nach Leningrad, wir hätten als Schüler gern Alkohol getrunken und bei Gorbatschow gab es keinen. 1991 habe ich Abi gemacht. Ich war der erste Jahrgang, wo man Au-pair-Mädchen in Paris werden konnte. Ich dachte damals, der Westen bleibt ohnehin, wie er ist. Also bin ich nicht nach Paris gegangen, sondern nach Kaliningrad.

So richtig klassisch, zu einer Familie?

Hageni: Zuerst zu einer Oma, später hatte ich eine eigene Wohnung. Ich habe bei der deutschen Gemeinde der evangelisch-lutherischen Kirche in Kaliningrad ein Praktikum gemacht und mit Russlanddeutschen beim Gemeindeaufbau, dem Verteilen humanitärer Hilfe und in dem Kontext auch als Kraftfahrer, Autoschlosser oder schlicht Kraftstofforganisator gearbeitet. Benzin gab es offiziell nur für Russen auf Marken rationiert, also habe ich gegen Valuta und Schnaps auf Kolchosen Diesel mit dem Gummischlauch aus Traktorentanks gesaugt. Dort habe ich Russisch gelernt. Ich konnte ja nur das Russisch aus der Schule, also im Grunde kein Russisch.

Und wie ging es weiter?

Hageni: Ich habe in Dresden Kunstgeschichte studiert, hatte aber kein Latinum und bin deshalb in eine Künstlerkolonie geflüchtet, in einem ehemaligen Kloster bei Nowgorod Weliki. Heute unvorstellbar, man zahlte zwar irgendeine symbolische Miete, aber im Grunde war die ganze Klosteranlage von den Bewohnern besetzt. Obwohl die Zeiten schwierig waren, spielte Geld kaum eine Rolle. Alles war wahnsinnig frei. Als ich mein unterbrochenes Studium in Berlin wieder aufnahm, da hätte ich diesen Teil Europas gern auch häufiger im Kino gesehen. Und so dachte ich später, man könnte ja mal ein Kino für Filme aus Russland eröffnen und habe mit Freunden losgelegt. Na ja. Und dann bist du plötzlich gekommen.

Fiora: (lacht) Ich bin zum ersten Mal ein paar Monate nach der Eröffnung hier im Kino gewesen. Wenige Monate später entdeckte ich dann eine Praktikumsanzeige und dachte: Wenn ich schon umsonst arbeiten soll, dann will ich wenigstens etwas machen, was mich interessiert. Ich habe in Italien Slawistik studiert, wollte eigentlich literarische Übersetzerin werden.

Wie kam’s?

Fiora: In Italien existierte der Osten eigentlich nicht, auch nicht im Schulunterricht. Auch in meiner Familie, die sehr konservativ ist, ist der Osten kein Thema. Ich habe den Roten Platz im Fernsehen immer nur in der Silvesternacht gesehen. Damals dachte ich: Wenn ich groß bin, will ich mal nach Moskau. Während der Schulzeit habe ich dann die russischen Klassiker gelesen, viel Dostojewski. Und so habe ich angefangen, an einem kleinen Institut sehr intensiv Slawistik zu studieren. Und na ja, natürlich hatte ich auch einen sehr träumerischen Blick auf Russland.

Haben Sie den immer noch?

Fiora: Natürlich nicht! Das hat sich schon in der Studienzeit geändert. Ich merkte schon damals, wie diese Gesellschaft abdriftet. Dieser protzige Reichtum, die arroganten Typen in ihren fetten Autos, die direkt auf dem Gehweg fuhren, sodass man wegspringen musste, um zu überleben. Also, da musste ich schon ein bisschen Abschied nehmen. Und 2003 und 2004 kamen dann plötzlich sehr viele kritische, interessante Filme aus Russland heraus.

Wieso sind Sie im Kino nicht bei den russischen Filmen geblieben?

Hageni: Wir haben versucht, mit russischen Institutionen zusammenzuarbeiten, das hat aber nie richtig funktioniert. Vielleicht waren wir denen einfach zu unabhängig. Ein großer ­russischer Produzent hat mir einmal direkt ins Gesicht gesagt, dass man Leute wie mich vernichten müsse. Dabei wollte ich mich eigentlich nur vorstellen.

Haben Sie Angst davor, was jetzt aus Russland werden könnte?


Fiora: Ja.

„Seit den Kriegsereignissen schauen wir alle Filme plötzlich mit ganz anderen Augen“

Gabriel Hageni

Hageni: In Weißrussland ist es vielleicht gelungen, eine Vision von einem unabhängigen belarussischen Staat ohne Diktator zu entwickeln. Für die Russen gibt es so eine Vision eher nicht. Da ist die Identität sehr stark mit der Staatsführung verbunden. Moskau, das dritte Rom. Wir sind im Moment gerade nicht voller Hoffnung.

Und wie hoffnungsvoll sind Sie in Bezug auf Ihr Kino?

Hageni: Wir haben in der Pandemie bemerkt, dass die Leute das Kino vermissen, und es gab so unglaublich viel Solidarität, mit der wir nicht im Geringsten gerechnet hätten – und das stimmt uns sehr zuversichtlich trotz der allgemein schwierigen Lage.

Wieso schwierig?

Hageni: Manche Kinobetreiber versuchen, das Kino abzuschaffen, indem sie ihr Programm auf Streaming-Plattformen anbieten. Dabei hat die Pandemie gezeigt, dass die Leute das Kino vermissen, das gemeinschaftliche Erleben, das Lagerfeuer, die Publikumsgespräche, das gemeinsame Essen und Trinken. Dank der Pandemie konnten wir den Raum vor der Kinotür mit einbeziehen, konnten die Straße sperren.

Wirklich?

Hageni: Das Kino hatte so viele Gäste wie noch nie. Wir hatten einen Traktor mit einem Hub­arm, der eine Leinwand hochgezogen hat, die so breit wie die Straße war. Wir haben wirklich 35 Millimeter gespielt, Mur­naus „Nosferatu“. Ich habe mich als Metapher für das tote Kino zu Pandemiezeiten in einem geschlossenen Sarg herantragen lassen …

Na, das haut ja ungefähr hin mit Ihrer Nase!

Hageni: (grinst) … um zu beweisen, dass Totgesagte länger leben. Es war schön, ja, zusammen mit den Leuten. Demnächst fahren wir dann mit unserem Publikum nach Spitzbergen.

Spitzbergen?

Hageni: Spitzbergen. Dort gibt es eine verlassene Bergarbeitersiedlung mit einem Kino. Ein ­Bekannter war da, einer von den Leuten, die während der DDR-Zeit regelmäßig mit Tricks und Transitvisum quasi illegal und aus reiner Neugier in die Sowjet­union gereist sind. Und in diesem Kino gibt es ein vollständiges Filmarchiv, das im ewigen Eis konserviert ist, wahrscheinlich vor allem sowje­tische Filme. Dort wollen wir mit dem Publikum hinfahren. Vielleicht eine Vorführung spielen.

Fiora: Es gibt mehr als 50 Interessenten.

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