Das Grauen im Osten

Russland bereitet einen Großangriff im Donbass vor, die Ukraine benötigt dringend mehr Angriffswaffen

Von Barbara Oertel

Die Schlacht um den Donbass wird Sie an den Zweiten Weltkrieg erinnern“, sagte der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba vergangene Woche bei einem Treffen der Nato-Außenminister in Brüssel. Das war ein überdeutlicher Wink mit dem Zaunpfahl, bei Waffenlieferungen noch einmal richtig nachzulegen.

Nach dem Abzug seiner Truppen aus dem Großraum Kiew bläst Russlands Präsident Wladimir Putin nun zum Großangriff im Osten der Ukraine. Ziel ist, die gesamten Gebiete Luhansk und Donezk zu erobern – einschließlich der Hafenstadt Mariupol, die fast vollständig zerstört, aber noch nicht komplett unter russischer Kontrolle ist. Gelänge Letzteres, wäre der Weg frei für die Schaffung einer Landverbindung zur Krim.

Doch es geht um mehr als territoriale Gewinne, und zwar für beide Seiten. Putin braucht einen Sieg für seine Beliebtheit an der Heimatfront, und das möglichst bis zum 9. Mai, dem Tag des russischen Sieges über Nazi-Deutschland 1945. Zudem würde ein militärischer Erfolg Russlands Position bei Friedensverhandlungen stärken. Für den ukrainischen Oberst Oleg Schdanow wird im Donbass generell über Sieg und Niederlage in diesem Krieg entschieden. „Wir werden versuchen, die russischen Truppen in der OOS-Zone (Gebiete im Donbass, die derzeit noch umkämpft sind, Anm. d. Red.) oder im ganzen Donbass zurückzuschlagen und die Russische Föderation dazu zwingen, einen Vertrag zu unseren Bedingungen zu unterzeichnen“, schreibt er in einem Beitrag für das Onlineportal Novoje Vremja.

Einfach wird das allerdings nicht. Einer der nächsten Hotspots des Krieges dürfte die Stadt Slowjansk sein, die 2014 von prorussischen Kämpfern besetzt war, doch nach kurzer Zeit von der ukrainischen Armee zurückerobert wurde. Jetzt ist die Stadt erneut Ziel russischer Truppen, die von Norden her vorrücken. In der vergangenen Woche kamen dort bei einem russischen Angriff auf den Bahnhof 39 Zi­vi­lis­t*in­nen ums Leben. Die Einnahme der Stadt ist die Voraussetzung, um die ukrainischen Truppen vom Nachschub abzuschneiden und weitere russische Streitkräfte in den Süden zu verlegen. Hielten die Ukrainer den Angriffen stand, würden Moskaus Ambitionen, die Kontrolle über die Gebiete Donezk und Luhansk vollständig zu übernehmen, vereitelt, heißt es in einem Bericht des US-Thinktanks Institute for the Study of War (ISW).

Mit Moskaus Strategiewechsel verändert sich auch die Natur des ukrainischen Militär­einsatzes. Ging es bislang um die Verteidigung von Schlüsselterritorien, verlagert sich das Kampfgeschehen nun an Orte entlang bestimmter Kontrolllinien. Will heißen: Die Ukraine benötigt jetzt mehr Angriffswaffen, um ihre eigene Gegenoffensive zu verstärken. Das ist der Hauptgrund, warum die Bitten der Regierung in Kiew um Waffen dringlicher werden. Den weiteren Verlauf vorauszusagen, ist schwierig. Fest steht jedoch wohl eines: Die Schlacht um den Donbass, schreibt die New York Times, wird „extrem grausam“.