Bektaş-Mord und U-Ausschuss Neukölln: „Das ist keine Show“

Der U-Ausschuss soll rechte Zusammenhänge bei der Anschlagsserie in Neukölln und mit dem Mord an Burak Bektaş klären, sagt Vasili Franco (Grüne).

Portrait des Ermordeten am Kopftuch einer Demonstrantin auf einer Gedenkfeier im Jahr 2014 Foto: dpa

taz: Herr Franco, vor zehn Jahren wurde Burak Bektaş ermordet, an diesem Sonntag waren Sie auf der Gedenkveranstaltung am Erinnerungsort in Neukölln. Was denken Sie über den Fall?

Vasili Franco: Zunächst möchte ich sagen, dass auch zehn Jahre nach dieser schrecklichen Tat der Wunsch nach Aufklärung von Familie, Angehörigen und der Zivilgesellschaft vollkommen berechtigt ist – und wir als Politik alles in unserer Macht Stehende dafür tun müssen. Auch, damit sich solche Taten nicht wiederholen.

Im Mai soll der Untersuchungsausschuss zum Neukölln-Komplex kommen und Zusammenhänge mit dem Bektaş-Mord prüfen. Erhoffen Sie sich davon wirklich eine Aufklärung?

Zugegebenermaßen wird das sehr schwierig, da der Fall schon so lange zurückliegt. Wir sind als Abgeordnete auch nicht die besseren Ermittler. Aber wir zeigen mit dem U-Ausschuss, dass wir die Betroffenen ernst nehmen, dass wir nicht wegschauen, wenn Rechtsextreme und Neonazis in Neukölln und in Berlin ihr Unwesen treiben. Darum werden wir vor allem rechtsextreme Netzwerke in den Blick nehmen. Es wäre ja absurd zu glauben, dass die bekannten Neonazis, die seit längerer Zeit im Fokus stehen, voneinander nichts wissen – und alles, was in Neukölln passiert, Zufall ist.

Der Untersuchungsausschuss zum „Neukölln-Komplex", der Serie von rechten Anschlägen in Neukölln, wird auf Antrag der Regierungsfraktionen von SPD, Grünen und Linken voraussichtlich im Mai beginnen. Er soll die Arbeit der Ermittlungsbehörden thematisieren sowie die Vernetzung rechtsextremer Strukturen und mögliche Bezüge zu den Morden an Burak Bektaş und Luke Holland. Bektaş war am 5. April 2012 von einem unbekannten Täter in Neukölln ermordet worden, die Ermittlungen waren von Pannen begleitet. (taz)

Aber was können die Abgeordneten konkret machen? Besteht nicht die Gefahr, dass der Ausschuss nur Show ist?

Ich empfinde das auf keinen Fall als Show. Es geht darum, eine langjährige Forderung der Angehörigen und der Zivilgesellschaft wahr zu machen. Wir als Politik geben uns nicht damit zufrieden, dass es nur irgendwelche Straftaten von irgendwelchen Einzeltätern sein sollen. Das kann keine zufriedenstellende Aufklärung sein. Unsere Aufgabe als Politik ist, uns das genau anzuschauen und es hinzubekommen, dass solche Taten zukünftig nicht mehr passieren können. Und unsere politische Verantwortung ist, dafür zu sorgen, dass, wenn Ermittlungen geführt werden, diese auch zu Aufklärung führen. Das ist in der Vergangenheit nicht passiert.

Vasili Franco, 29, ist von Beruf Verwaltungswissenschaftler. Seit November sitzt er für die Grünen im Abgeordnetenhaus, ist Sprecher der Fraktion für Innenpolitik.

Was genau ist der Unterschied zur Sonderkommission, die es in der letzten Legislatur gab?

Der Unterschied ist genau das, was die Betroffenen gefordert haben – die Unabhängigkeit von den Ermittlungsbehörden. Ja, es gab umfangreiche Ermittlungen durch die Sonderermittler, allerdings sind noch Fragen offen geblieben.

Welche?

Es gibt eine ganze Reihe von Fragen im Umgang der Ermittlungsbehörden in dem gesamten Komplex. Wie haben Polizei, Staatsanwaltschaft und Verfassungsschutz gearbeitet? Warum wurden die Taten zu lange nicht als Serie betrachtet, welche Informationen lagen wem wann vor? Und warum wurde nicht allen Hinweisen nachgegangen? Der Vorteil des U-Ausschusses ist auch, dass wir nicht nur jeden Fall einzeln aus einer strafrechtlichen Perspektive betrachten, sondern schauen werden, wo die politischen Probleme liegen, die wir adressieren müssen.

Für wie wahrscheinlich halten Sie es, dass der Mord an Bektaş eine NSU-Nachahmertat war?

Es ist nicht auszuschließen. Auch die Ermittlungen der Generalbundesanwaltschaft, die in der vorigen Woche zu bundesweiten Razzien geführt haben, zeigen, dass die rechtsextreme Szene in Deutschland nicht aus verwirrten Einzeltätern besteht, sondern sich in bundesweiten Netzwerken organisiert. Diese standen in der Vergangenheit nicht genug im Fokus – das ist ja das Problem.

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