: Die Region Luhansk liegt unter Dauerbeschuss
Russische Truppen sollen 80 Prozent des Gebietes erobert haben. Evakuierungsversuche erneut gescheitert. US-Außenminister Blinken sagt in Kiew weitere Waffenlieferungen zu
Von Bernhard Clasen
Russlands Angriffskrieg auf die Ukraine geht in seinen dritten Monat, ein Ende der Bombardierungen und Raketenangriffe ist jedoch nicht abzusehen. Am stärksten von den Kampfhandlungen betroffen ist die Region Luhansk. Dort sind nach Angaben des Gouverneurs Sergej Gajdaj 80 Prozent des Territoriums in russischer Hand.
Er gehe nicht davon aus, so Gajdaj gegenüber CNN, dass sich Russland damit zufrieden geben werde. Erneut forderte er alle Bewohner*innen seiner Region auf, diese zu verlassen. Noch immer seien von den einstmals 350.000 Bewohner*innen 60.000 dort verblieben. Am Montagvormittag, so Gajdaj, sei ein Bus mit zwölf Personen bei einer Evakuierungsaktion von den russischen Besatzern beschossen worden. Das habe System. Am Sonntag, dem orthodoxen Osterfest, hätten die Besatzer sieben Häuser zerstört und eine Ölraffinerie beschossen, zitiert das Nachrichtenportal Dserkalo Tyschnja den Gouverneur.
Im ganzen Land wird von russischen Angriffen berichtet. Am Sonntagabend wurde die Identität der Opfer des Beschusses von Odessa vom Samstag bekannt. Es handelt sich um Waleria Glodan, ihre dreijährige Tochter und ihre Mutter. Die drei waren nicht die einzigen Opfer des Angriffes vom Samstag auf Odessa. Auch fünf weitere Bewohner kamen bei einem Angriff auf ein Wohnhaus ums Leben, berichtet das Portal segodnya.ua.
Auch auf das Gebiet Dnepropetrowsk wurden Raketen abgefeuert, in Charkiw wurden am Sonntag zwei Menschen getötet. In der Stadt Zdolbuniw in der Nähe von Riwne explodierten Raketen. Der Telegram-Kanal von strana.news zitiert das russischen Verteidigungsministerium, wonach die russische Armee nach eigenen Angaben die Ölraffinerie Krementschuk sowie ein Lager für Petroprodukte angegriffen habe.
Nach Angaben des Chefs der ukrainischen Eisenbahn, Alexander Kamyshyn, gerieten fünf Bahnhöfe in der Zentral- und Westukraine eine Stunde lang unter Beschuss. Der Gouverneur der Region Lwiw meldete Brände im Bezirk Zolochiv. Zuvor wurde in den sozialen Medien über Raketeneinschläge in der Region berichtet.
Unterdessen beschuldigt der ukrainische Atomkonzern Energoatom Russland des „Atomterrors“. Am Montagmorgen um 8.10 Uhr wurden zwei Marschflugkörper gesichtet, die das Kernkraftwerk Chmelnyzkyj überflogen hatten, berichtet der Pressedienst von Energoatom. „Russische Truppen beschießen erneut rücksichtslos ukrainisches Territorium. Dies ist ein weiterer Akt von Nuklearterrorismus. Die ganze Welt ist von einer weiteren Nuklearkatastrophe bedroht“, warnt Energoatom.
Unterdessen berichtet die ukrainische Generalstaatsanwaltschaft, dass man mit Stand vom 25. April den Tod von 3.818 Zivilisten dokumentiert habe. Tatsächlich liege die Zahl der Opfer um einiges höher, da man bisher noch keine dokumentierten Opferzahlen aus Mariupol und den Kiewer Vororten habe, sagte die Generalstaatsanwältin Irina Wenediktowa.
Am frühen Montagnachmittag meldete das Portal Novoje Vremja unter Berufung auf ukrainische Geheimdienste, dass Russland nicht, wie von Wladimir Putin angekündigt, von einem Angriff auf das Werk Asowstal in Mariupol absehen werde. Nach wie vor befürchten ukrainische Sicherheitsdienste einen russischen Angriff auf Asowstal mit Chemiewaffen.
Völlig unerwartet für die ukrainische Öffentlichkeit waren am Wochenende US-Außenminister Antony Blinken und Verteidigungsminister Lloyd Austin zu einem Blitzbesuch in Kiew eingetroffen. Bei ihren Gesprächen versprachen sie zusätzliche Waffenlieferungen in Höhe von 713 Millionen Dollar. Zudem soll die seit fast drei Jahren vakante Botschafterstelle in Kiew neu besetzt werden. Biden werde die Diplomatin Bridget A. Brink nominieren. Auch die US-Botschaft werde wieder in die Ukraine zurückkehren – zunächst nach Lwiw und dann nach Kiew. Die von den USA bereitgestellte Verteidigungshilfe in Höhe von 3,4 Milliarden Dollar sei der größte Beitrag zur Erhöhung der Fähigkeit der Ukraine, sich zu verteidigen, sagte Präsident Wolodimir Selenski.
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