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Ode andie Erleichterung

Selbst Frankreichs wiedergewählter Präsident Macron wirkt über den Sieg gegen die Rechtsradikale Le Pen wenig euphorisch. Es wird eine schwierige zweite Amtszeit

Aus Paris Rudolf Balmer

Am Sonntagabend erhielt Emmanuel Macron die Gratulationen mehrerer europäischer Staats- und Regierungschefs, die erleichtert sind, die Zusammenarbeit mit ihm fortsetzen zu können. Für sie ist das Wahlresultat ein positives Signal. Auf Twitter hat Kanzler Olaf Scholz Macron sogleich beglückwünscht „Deine Wählerinnen und Wähler haben heute auch ein starkes Bekenntnis zu Europa gesendet.“

Die Hauptsache: Emmanuel Macron ist mit 58,5 Prozent der Stimmen in der Stichwahl am Sonntag von den Stimmberechtigten für weitere fünf Jahre als Präsident bestätigt worden. Seine Konkurrentin vom Rassemblement National (RN), Marine Le Pen, kam auf 41,5 Prozent. Sie kann sich etwas damit trösten, dass sie bei ihrer dritten Kandidatur für die Präsidentschaft mit mehr als 13 Millionen Stimmen ein historisches Spitzenresultat für Frankreichs nationalistische Rechte erzielt hat.

Wem muss Macron heute „Merci!“ sagen, fragt Libération und spricht wie andere Zeitungen von einem glanzlosen „Sieg ohne Ruhm“. „Das Härteste beginnt erst“, glaubt das Blatt L’Union. Und eine andere Provinzzeitung, Midi libre, gibt dem Präsidenten gleich eine Order: „Zuhören und Handeln!“ Im Vordergrund steht für L’Ardennais auch die Aufgabe, nach dem Wahlstreit „die Franzosen zu versöhnen“.

Bei seiner Siegesfeier auf dem Marsfeld zu Füßen des Eiffelturms gab sich Macron betont bescheiden. Der Unterschied zu 2017 war augenfällig. Vor fünf Jahren nämlich triumphierte er wie ein Monarch, der den Thron besteigen durfte. Er schritt damals ganz allein, wie für einen Film inszeniert, auf seine Bühne vor der Pyramide des Louvre (des ehemaligen Königspalasts) zu. Bei seiner Wiederwahl nun kam er an der Seite seiner Gattin Brigitte begleitet von einer Gruppe von Kindern und Jugendlichen zu den Klängen der Europahymne, Beethovens „Ode an die Freude“, auf diesen Festplatz, auf dem die Partystimmung seiner An­hän­ge­r*in­nen zu den Rhythmen eines DJ nicht so recht aufkommen wollte.

Ab sofort sei er nicht mehr ein (parteiischer) Kandidat, sondern „der Präsident von allen“, sagte er in seiner Ansprache. Er ist sich im Klaren darüber, dass mehr als 16 Millionen Wahlberechtigte oft aus Überzeugung oder Unzufriedenheit über das Angebot in der Stichwahl entweder den Urnengang boykottiert oder einen leeren oder ungültigen Wahlzettel eingeworfen haben. Er wolle diesem „Schweigen“ Rechnung tragen. Ebenso der Tatsache, dass viele nicht eigentlich für ihn gestimmt hätten, sondern lediglich seine Konkurrentin verhindern wollten. „Antworten“ wolle er auch den 13 Millionen Landsleuten liefern, die aus Wut für Le Pen votierten, versicherte Macron.

Der Blick auf Frankreichs Landkarte mit den Wahlergebnissen vom Sonntag zeigt, dass in dem Land ein Graben existiert. In den Großstädten und urbanen Agglomerationen hat Macron gewonnen, umgekehrt siegte in ländlichen Regionen und vor allem im Norden und Osten des Landes Le Pen. Etwas überraschender ist, dass die Wählenden in mehreren Überseegebieten, namentlich auf den Antillen und im Indischen Ozean, der rechtsextremen Kandidatin zum Teil mit bis zu 70 Prozent den Vorzug gegeben haben. In diesem ­Votum kommt viel Feindseligkeit gegenüber der Zentralmacht in Paris zum Ausdruck. Hinzu kamen dort die heftigen Proteste gegen die für das Pflegepersonal obligatorische Impfung gegen Covid-19.

Die politische Zweiteilung wird es Macron erschweren, nach den Neuwahlen der Na­tio­nalversammlung am 12. und 19. Juni eine loyale parlamentarische Unterstützung zu erhalten. Noch hofft Macron, dass er wie bisher in der Nationalversammlung mit seiner Hauspartei „La République en Marche“ zusammen mit François Bayrous Zentrumspartei MoDem erneut über eine regierungsfähige Mehrheit verfügen könnte. Das aber dürfte wegen des Erstarkens der extremen Rechten und auch der Linken nicht einfach werden.

In diesem Votum kommt viel Feindseligkeit gegenüber der Zentralmacht in Paris zum Ausdruck

„Wählt mich zum Premierminister“, forderte am Wahlabend der Linkspopulist Jean-Luc Mélenchon im Fernsehen die Franzosen und Französinnen auf. Da er selber ja als Präsidentschaftskandidat (als Dritter nur knapp hinter Marine Le Pen) ausgeschieden war, klang diese Einladung ziemlich absurd. Sie entspricht einem Wunsch von Mélenchons linker Bewegung „La France insoumise“ (Unbeugsames Frankreich), sich für die eigene Niederlage zu rächen und nach zwei verlorenen Durchgängen der Präsidentenwahl im Juni die „dritte Runde“, die Wahl der Abgeordneten der Nationalversammlung (Frankreichs Unterhaus) zu gewinnen.

Etwas bemüht wirkte Le Pens Versuch, nach dem Bekanntwerden ihrer Niederlage das Resultat als „historischen Erfolg“ umzudeuten. Sie mobilisiert ihre Truppen für die „nächste Schlacht“, bei der ihre Partei eine schlagkräftige Parlamentsfraktion erringen müsse. Bereits in Stellung für die nächste Kraftprobe ging auch Le Pens rechtsextremer Rivale Eric Zemmour. Er schlägt vor, die „Patrioten“ der nationalen Rechten bis hin in die bürgerliche Mitte in Hinblick auf die Parlamentswahlen zu einer mehrheitlichen Kraft zu vereinen. Dies unter seiner Führung und nicht unter der Fuchtel des RN und der Familie Le Pen, die nun acht Mal in Serie verloren habe.

Macron wird in den nächsten Tagen eine Interimsregierung bis Mitte Juni bilden. Wer danach in seinem Auftrag regiert, hängt dann von den neuen Mehrheitsverhältnissen ab.

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