piwik no script img

Pleite für Hertha im HauptstadtderbyZerrüttete Liebe

Hertha BSC wird im Derby gegen Union Berlin auseinandergenommen. Nach dem Spiel müssen die Spieler vor den Fans zu Kreuze kriechen.

Runter mit dem Hemd! Ein Hertha-Fan geht einem Spieler an die Wäsche Foto: imago

Berlin taz | Es hatte alles so schön begonnen. Das Olympiastadion war ausverkauft. Die Fans von Hertha BSC und Union Berlin taten alles, um aufzufallen, sodass in allen Teilen der Stadt nicht zu übersehen war, dass da ein besonderes Fußballspiel stattfinden würde. Gestandene Männer hüpften und sangen, dass es eine wahre Freude war. Die Scherben, die den Boden vor den Eingängen zum ausverkauften Olympiastadion fast flächig bedeckt haben, taugen als Indiz für die Partystimmung der Fans. Zwei Jahre lang war das Stadion nicht mehr voll gewesen. Jetzt war Derby. Dann kam der Anpfiff, es gab ein Spiel. Schade eigentlich.

Denn am Ende, nach der desas­trösen 1:4-Niederlage des Tabellenvorletzten Hertha BSC gegen den Europapokalaspiranten Union, wollte niemand mehr von den drolligen Fußballanhängern und ihrem stimmgewaltigen Support schwärmen. Am Ende sprachen alle über die demütigende Anmaßung von Herthas Kurvenfans. Sie verlangten von den Spielern, ihre Trikots vor der Kurve abzulegen, so als seien sie es nicht wert, das Wappen des Klubs auf ihrer Brust zu tragen. Die Kurve hatte ihre Macht gezeigt. Blutjunge Spieler wie der 18-jährige Linus Gechter oder der 20 Jahre alte Keeper Marcel Lotka mussten erleben, wie schnell ein Liebesverhältnis zwischen Spielern und Fans schwierig werden kann.

Ob Felix Magath, der für die Rettung Herthas verpflichtete Alttrainer mit dem Schinderimage, überhaupt schon ein Verhältnis zur Mannschaft aufbauen konnte, das weiß man nicht so recht nach diesem Spiel. Er lerne das Team ja gerade erst kennen, meinte er. Vielleicht hat ihm ja niemand gesagt, dass etwa der 18-jährige Linus Eitschberger normalerweise in Herthas U19 rechts hinten verteidigt. Sein Profidebüt musste er indes als linker Verteidiger geben und war dementsprechend überfordert. Nach der Pause musste er nicht mehr mitspielen. Möge er noch viele Bundesligaminuten in seinem Leben sammeln. Möge er nicht an diesem Derbyauftritt, den ihm sein Trainer zugemutet hat, zerbrechen.

Was Magath selbst dazu sagte? Er habe von Viererabwehr auf Dreierkette umgestellt und so sei es zur Auswechslung gekommen. Seine Hoffnung, dadurch besser ins „Gegenspiel“ zu kommen, erfüllte sich nicht. „Gegenspiel“, das war sein Wort des Abends. Es sagt viel über das, was Magath seiner Mannschaft zutraut. Vielleicht einmal einen Konter starten, nach einem Ballgewinn im Mittelfeld. Mehr geht da nicht. Und wenn der Gegner so stark ist, wie es Union an diesem von den Rauchwolken pyrotechnisch leicht vernebelten Abend war, nun ja, dann muss es eben kommen, wie es gekommen ist.

Ein Kinderspiel für Union

Er merke in jedem Training, dass die Mannschaft einen Willen habe. Aber was kann die Mannschaft? Auf diese Frage wollte Magath nicht weiter eingehen. Der Wille soll nun reichen, die drei nächsten Spiele gegen drei andere Klubs aus der Elendsregion der Liga erfolgreich zu bestreiten: Augsburg, Stuttgart und Bielefeld. Deshalb wollte er die Derbypleite nicht „so schwarz“ sehen. „Die Gegner, die wir in den nächsten Spielen haben, sind nicht ganz auf dem Niveau von Union Berlin“, sagte er.

Das mag stimmen und in der Tat war der Auftritt von Union beeindruckend souverän. Wäre nicht Torhüter Lotka schier über sich hinausgewachsen, Union hätte schon zur Pause höher geführt als mit 1:0. Und als nach der Pause plötzlich der Ausgleich durch ein Eigentor gefallen war, änderte das nichts am selbstsicheren Auftritt von Union. Flugs führte Union wieder. Dann fielen noch zwei Tore.

Es war wie ein Kinderspiel für Union. Wie kommt’s? „Aus der Kabine“, meinte Union-Trainer Urs Fischer. Man sei eine eingeschworene Truppe. So einfach ist das? Nein, aber es gehört eben dazu. Wie ein guter Matchplan. Den hatte Fischer einmal mehr, und so zerlegte sein Team mit ständigen Seitenwechseln Herthas neu formierte Abwehr ein ums andere Mal.

Union möchte nun ganz offiziell die Europapokalplätze angreifen. Von der Hertha-Kurve aus kann man da nur voller Neid gen Köpenick schauen. Solche Ziele zu erreichen, war Sinn des 375-Millionen-Investments von Lars Windhorst bei Hertha. Wenn es nach der Kurve geht, soll sich der ebenso vom Acker machen wie Klubpräsident Werner Gegenbauer. Aber so groß ist die Macht der Fans dann doch nicht, dass die beiden Geschäftsleute ihre Businessjacketts vor der Kurve ablegen müssen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • Hertha hat gespielt, wie die letzten Pfeifen. Aber was da nach dem Spiel von Ihren sog. Ultra-Fans gefordert wurde, ist wirklich das Letzte. Selbst Torwart Lotka, der die Hertha vor einem absoluten Desaster bewahrte, wurde gedrängt, sein Trikot auszuziehen und auf den Boden zu werfen.



    Wer solche Fans hat, braucht keine Feinde. Die beteiligten Ultras sind klar zu identifizieren und dem Verein sicherlich persönlich bekannt. Man sollte Ihnen mindestens ein Stadionverbot für diese und die nächste Saison erteilen.