Gute Chancen trotz VS-Beobachtung

Die Saarland-AfD ist vor der Landtagswahl zerstritten. Nun folgt die Einstufung als rechtsextremer Verdachtsfall. Der Wiedereinzug ist dennoch möglich

„Wir zoffen uns, wir haben keine Zeit zum Bombenbauen“

Bemerkung eines AfD-Funktionärs

Aus Saarbrücken Christoph Schmidt-Lunau

„Ich mache ganz normal Wahlkampf!“, sagt Christoph Schaufert. „Infostände organisieren, Wahlplakate verteilen und aufhängen.“ So beschreibt die Nummer eins der AfD im Wahlkreis Saarpfalz sein Tagesprogramm. Der 52-jährige Archäologe, der bei der Stadtratsfraktion seiner Partei in der Landeshauptstadt beschäftigt ist, will nach der Wahl am 27. März erneut in den Saarbrücker Landtag einziehen. Das wäre die Krönung seiner politischen Karriere.

Dass die AfD jetzt als rechtsextremer Verdachtsfall vom Verfassungsschutz beobachtet werden darf, findet Schaufert „nicht erfreulich“. Dass sich das Urteil, welches das Kölner Verwaltungsgericht vergangene Woche fällte, negativ auf die Wahlchancen seiner Partei auswirken könnte, sieht er indes „eher nicht“. Und tatsächlich stehen die Chancen nicht schlecht, trotz des richterlich bestätigten Rechtsextremismusverdachts: In der jüngsten Umfrage vom 16. Februar lag die AfD im Saarland bei 8 Prozent.

Schaufert und den anderen AfD-Kandidaten machen eher die Negativschlagzeilen zu schaffen, die der erbitterte Kampf um aussichtsreiche Listenplätze ausgelöst hat. In der AfD an der Saar herrscht schon lange der Ausnahmezustand. Der aussichtsreiche Kandidat Schaufert hat auf dem Weg in den Landtag sogar seine Rechte als Parteimitglied verloren. Der vom Bundesverband eingesetzte „Notvorstand“ hat seinen Ausschluss durchgesetzt. Schaufert, einst als stellvertretender AfD-Landesvorsitzender gewählt, darf sein Parteiamt nicht mehr ausüben. „Mit rechtsextremen Tendenzen haben wir keine Probleme. Wir zoffen uns, wir haben keine Zeit zum Bombenbauen“, versucht sich einer der führenden AfD-Politiker in Galgenhumor.

Für die AfD kandidieren in allen drei saarländischen Wahlkreisen nun umstrittene Männer auf den vorderen Listenplätzen. Allen voran der 83-jährige bisherige Fraktionschef Josef Dörr, ein pensionierter Schulrektor, der gerne Mundartgedichte vorträgt. Über ein Gerichtsverfahren hat er im zweiten Anlauf die Spitzenkandidatur im Wahlkreis Saarbrücken erstritten. Fast zeitgleich verfügte ein Schiedsgericht seinen Parteiausschluss. Den Rauswurf tut Dörr im Gespräch mit der taz als „hirnrissig“ ab. Er ist zuversichtlich, als Alterspräsident auch die nächste Legislaturperiode des Landtags eröffnen zu dürfen.

Bereits vor der letzten Landtagswahl hatte die Bundespartei versucht, den Mann loszuwerden, dem sie allzu enge Kontakte zu neonazistischen Kreisen vorwarf. Der AfD-Bundesvorstand hatte Dörr unter anderem vorgeworfen, im Jahr 2015 Mitgliedern der Freien Bürger Union satzungswidrig Doppelmitgliedschaften angeboten zu haben – unter ihnen sollen ehemalige Mitglieder der NPD und andere Rechtsextremisten gewesen sein. Die ihm nachgesagten Verbindungen nach rechtsaußen nennt Dörr gegenüber der taz „erfunden und konstruiert“. Im Parteiordnungsverfahren setzt er auf die nächste Instanz. „Das ist ein Marathonlauf“, sagt er.

Eigentlich wollte sein erbitterter Gegner, Generalsekretär Kai Melling, als Nummer eins für die Saar-AfD in den Wahlkampf ziehen. Im November letzten Jahres war er zum Spitzenkandidaten der Landesliste gewählt worden. Im Januar, Stunden vor der entscheidenden Sitzung des Landeswahlausschusses, hatten jedoch die „Vertrauensleute“ der Partei diese Liste einfach zurückgezogen. Sie waren dazu weder von einer Versammlung noch vom Vorstand ermächtigt. Die Liste war gleichwohl erledigt.

Der Schaden für die Partei hält sich in Grenzen, denn sie tritt in allen drei Wahlkreisen an. Nach dem saarländischen Wahlrecht geht somit keine Stimme verloren. Den Schaden trägt allein der düpierte Generalsekretär Melling, der den Wahlkampf leiten und das Wahlprogramm schreiben sollte. „Die eigenen Leute haben mich abgesägt“, sagt er der taz. „Soll ich mir wünschen, dass die in den Landtag kommen?“ Die Vorgänge in der Saar-AfD erklärt er so: „Es geht nicht um Politik, es geht um Geld und Posten.“

Von dem Coup gegen Melling und die Landesliste profitiert auch der dritte aussichtsreiche AfD-Kandidat im Wahlkreis Saarlouis, Carsten Becker. Der 32-Jährige hatte den Coup gegen den Generalsekretär öffentlich gelobt. Die Landesliste sei eine „Ansammlung von Dörrianern“. Parteisenior Dörr wurde als „Geißel“ des Landesverbands lächerlich gemacht. „Lieber keine Landesliste, als eine mit Steigbügelhaltern für Josef Dörr! Lieber keinen Wiedereinzug in den Landtag, als fünf weitere Jahre Fremdschämen!“ hieß es in dem Pamphlet der Parteirebellen.

Obwohl Becker diesen Text unterschrieben hat, entsendet ihn der Notvorstand in Podiumsdiskussionen und TV-Runden. Auf diesen Widersinn angesprochen, antwortet der saarländische AfD-Chef und Bundestagsabgeordnete Christian Wirth der taz: „Auch wenn die Unterschrift unter den Brief nicht zu akzeptieren ist, geht es jetzt um eine starke Opposition im kommenden Landtag.“

Auch sonst bleibt der Wahlkampf diffizil. „Kopfplakate“ von heftig umstrittenen Kandidaten sind wenig sinnvoll. Das Flüchtlingsthema zieht diesmal nicht, denn auch die AfD heißt die Vertriebenen aus der Ukraine willkommen. Bleiben die lauen Parolen gegen „Coronalüge“, „Genderquatsch“ und „Klimahysterie“.

Kandidat Schaufert rechnet zwar damit, dass AfD-GegnerInnen an den Infoständen das Kölner Urteil „genüsslich zitieren, doch diese Karte ist medial schon zu oft gezogen worden“. Becker nimmt auch die Ausschlussverfahren gegen seine beiden Mitkandidaten locker. „Das kann sich mal fünf bis zehn Jahre hinziehen, von da sehen wir das nicht so ernst“, bekannte er im Saarländischen Fernsehen und verkündete gleich einen eigenen 5-Jahres-Plan. Er wünschte sich eine Regierungsbeteiligung der AfD nach der Landtagswahl 2027, in einer „schwarz-blauen Koalition mit der CDU“. Das war allerdings vor dem Kölner Gerichtsurteil.