Neuregelung der Sterbehilfe: Abkürzung für Schwerkranke

Der alte Bundestag hatte nicht entschieden, jetzt gewinnt die Sterbehilfe-Debatte wieder Tempo. Zwei Gesetzesentwürfe liegen schon auf dem Tisch.

Eine Frau hält die Hand einer Bewohnerin

Die Neuregelung der Sterbehilfe soll dieses Jahr noch geschehen Foto: Peter Förster/picture alliance

BERLIN taz | Im April soll der Bundestag seine Entscheidung zur Corona-Impfpflicht treffen. Unmittelbar danach steht für das Parlament schon die nächste ethische Grundsatzfrage an: Die Neuregelung der Sterbehilfe, seit einem Urteil des Verfassungsgerichts im Jahr 2020 nötig, soll in diesem Jahr endlich über die Bühne gehen. Angedacht ist eine Orientierungsdebatte vor der Sommerpause und eine Entscheidung noch in diesem Jahr. Mindestens drei Gesetzesentwürfe werden nach jetzigem Stand unter Aufhebung des Fraktionszwangs zur Abstimmung stehen.

Eine Gruppe von Abgeordneten, vor allem aus der Fraktion der Grünen, hat ihren Vorschlag in dieser Woche fertiggestellt und startet in der nächsten Woche das Werben um Un­ter­stüt­ze­r*in­nen. Im Kern hatte die Gruppe um Renate Künast den Entwurf schon in der letzten Legislaturperiode eingebracht. Nachdem der alte Bundestag das Thema nicht mehr abschließend behandelt hatte, liegt er jetzt leicht aktualisiert wieder auf dem Tisch.

Das „Gesetz zum Schutz des Rechts auf selbstbestimmtes Sterben“ sieht vergleichsweise liberale Regelungen vor. Wer sich in einer medizinischen Notlage mit „schwerem Leiden“ und „starken Schmerzen“ befindet, wäre nur zu Gesprächen mit zwei Ärz­t*in­nen im Abstand von zwei Wochen verpflichtet. Die Me­di­zi­ne­r*in­nen müssten umfangreich aufklären und bescheinigen, dass es sich „um einen absehbar nicht mehr veränderbaren Sterbewunsch“ und eine „vom freien Willen getragene feste Entscheidung“ handelt. Dann dürften sie tödliche Betäubungsmittel verschreiben.

Wer aus anderen Gründen als einer medizinischen Notlage sterben möchte, müsste den Wunsch erst gegenüber einer Behörde schriftlich erläutern und sich danach bei einer unabhängigen Beratungsstelle zwei Mal im Abstand von mindestens zwei Monaten beraten lassen. Danach müsste die Behörde den Zugang zum Betäubungsmittel gestatten. Einnehmen müssten die Betroffenen das Mittel in beiden Fällen selbst.

„Entscheidung des Einzelnen“

„Der Entwurf hat zum Ziel, einen geeigneten Schutzraum für Betroffene in allen Lebenslagen zu schaffen“, sagt der grüne Rechtspolitiker Lukas Benner, der den Entwurf unterstützt. „Wir erkennen an, dass es sich um eine Entscheidung des Einzelnen handelt, die auf dem ureigenen Verständnis von Lebensqualität und Sinnhaftigkeit der eigenen Existenz beruht. Sie kann derart vielfältig sein, dass Staat und Gesellschaft diese unabhängig von Wertvorstellungen, religiösen Geboten oder gesellschaftlichen Leitbildern zu respektieren haben.“

Die „schwierigen Umstände von Menschen in medizinischer Notlage“ würden berücksichtigt, in dem der Zugang zu den tödlichen Medikamenten für sie „niedrigschwellig“ gestaltet sei.

Eine zweite Gruppe von Abgeordneten um Lars Castellucci (SPD) und Kirsten Kappert-Gonther (Grüne) hatte im Januar einen restriktiveren Entwurf vorgestellt. Die Gruppe will die „geschäftsmäßige Förderung der Selbsttötung“ wieder durch einen Paragrafen im Strafgesetzbuch verbieten, aber Ausnahmen zulassen.

Wer sterben möchte, müsste sich demnach von einer psychosozialen Stelle beraten sowie in der Regel von zwei Psych­ia­te­r*in­nen im Abstand von drei Monaten untersuchen lassen. Bedingung wäre dann, dass bei denUntersuchungen keine „die autonome Entscheidungsfindung beeinträchtigende psychische Erkrankung“ diagnostiziert wird.

Ein weiterer Entwurf aus der letzten Legislaturperiode sah vor, dass Sterbewillige zunächst mit einer Beratungsstelle und frühestens zehn Tage später mit einem Arzt sprechen müssten, bevor sie tödliche Medikament erhalten. Un­ter­stüt­ze­r*in­nen dieses Entwurfs wollen demnächst ebenfalls eine neue Version einbringen.

2015 hatte der Bundestag das Verbot der „geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung“ im Strafgesetzbuch verankert. 2020 kassierte das Bundesverfassungsgericht die Regelung. Seitdem fehlen klare Regelungen.

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