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Biologin über klinische Studien„Sicherheit hat höchste Priorität“

Wer kann an Studien teilnehmen? Denise Olbrich vom Lübecker Zentrum für klinische Studien über wissenschaftliche Standards, Hoffnungen und Risiken.

Wer nicht seriös arbeitet, ist schnell allein: Labor-Forschung bei der Corona-Impfstoffentwicklung Foto: Daniel Bockwoldt/dpa
Marthe Ruddat
Interview von Marthe Ruddat

taz: Frau Olbrich, auf Plakaten in der U-Bahn und auf Portalen im Internet werden immer wieder Teil­neh­me­r:in­nen für klinische Studien gesucht. Ist das seriös?

Denise Olbrich: Ich bekomme auch hin und wieder per Mail solche Aufrufe zugeschickt. Meiner persönlichen Erfahrung nach sind das eher kleine Studien, zum Beispiel Abschlussarbeiten. Es gibt aber auch Unternehmen, die mit Pharmafirmen oder einer Klinik einen Vertrag schließen. Das Unternehmen sucht dann unter seinen Vertragspartnern nach geeigneten Patienten für die Studien der Kliniken oder Pharmafirmen. Grundsätzlich gibt es gute und schlechte Menschen in allen Bereichen. Aber klinische Studien, der Bereich, in dem ich arbeite, sind wirklich hochgradig reguliert. Wer als Wissenschaftler unseriös arbeitet, schadet seinem Ruf und findet keine Kooperationspartner mehr.

Es gibt ja verschieden Arten von Studien. Was sind klinische Studien genau?

Man kann sie einteilen in Studien nach dem Arzneimittelgesetz (AMG), Studien nach dem Medizinproduktedurch­führungsgesetz und sonstige Studien. In Letzteren werden dann zum Beispiel Operationstechniken verglichen. Wenn man klinische Studien hört, denkt man oft zuerst an AMG-Studien. Diese wiederum lassen sich in Phasen einteilen, je nachdem, wie weit die Entwicklung des Medikaments schon ist. Vereinfacht gesagt, geht es darum, herauszufinden, ob ein bestimmtes Medikament oder eine Behandlungsmethode besser für die Patienten ist als das, was bisher auf dem Markt ist oder angewandt wird. Dabei geht es aber nicht mehr nur um die Frage, ob die Leute damit länger leben, sondern das Thema Lebensqualität spielt auch eine wichtige Rolle.

Wie genau sieht die von Ihnen genannte Regulierung aus?

Man ist natürlich an die Gesetze gebunden, zum Beispiel das Arzneimittelgesetz. Es gibt darüber hinaus Regelwerke, beispielsweise das „Good Clinical Practice“ und die Deklaration von Helsinki, die ethische und wissenschaftliche Qualitätsstandards vorgeben. Für klinische Studien braucht es die Genehmigung von Behörden und das Votum einer Ethikkommission. Es ist genau vorgeschrieben, welche Informationen Patienten erhalten müssen, wie sie aufgeklärt werden müssen und so weiter. Die Sicherheit der Patienten hat immer höchste Priorität. Es ist unglaublich viel zu leisten, bevor so eine Studie überhaupt anfangen darf. Auch wenn die Studie läuft, wird von unabhängigen Personen und Inspektoren von Behörden überprüft, ob alles korrekt läuft.

Bild: privat
Im Interview: Denise Olbrich

44, ist Projektmanagerin und Geschäftsleiterin des Zentrums für klinische Studien (ZKS) an der Universität zu Lübeck. Sie hat Biologie studiert und in der Humanbiologie promoviert.

Wie finden Sie die Teilnehmenden für Studien?

Bevor eine Studie startet, berechnet ein Biometriker genau, wie viele Patienten eingebracht werden müssen, damit das Ergebnis am Ende überhaupt aussagekräftig ist. Die Patientenrekrutierung ist aber wirklich die größte Krux. Meistens ist es so, dass die Ärzte, die die Studie durchführen, schauen, wer von ihren Patienten in die Studie passen würde.

Es gibt also Ein- und Ausschlusskriterien.

Genau. Die sind meist sehr eng gefasst, damit man ein Kollektiv hat, mit dem die eigentliche Fragestellung auch sauber beantwortet werden kann. Wenn man zum Beispiel hauptsächlich ältere Patienten hat, dann werden darunter auch viele sein, die noch andere Krankheiten haben und Medikamente nehmen. Da muss man dann schauen, ob das Medikament, das getestet werden soll, möglicherweise mit den anderen interagiert und diese Menschen dann von der Studie ausgeschlossen werden müssen. Es gehört auch dazu, zu schauen, ob die Personen psychisch und physisch in der Lage sind, an der Studie teilzunehmen.

Für einige Menschen dürfte die Teilnahme an einer Studie mit Hoffnungen verbunden sein, beispielsweise wenn eine Person schon lange unter einer Erkrankung leidet und keine Linderung gefunden hat.

Ja, das kann vorkommen. Deshalb ist es wichtig, ein ehrliches Aufklärungsgespräch zu führen. Man muss erklären, was die Behandlung realistisch für Vorteile, aber eben auch Nachteile haben kann. Die Frage, was den Patienten zuzumuten ist und was nicht, ist enorm wichtig.

Das dürfte auch für den Einsatz von Placebos gelten, oder?

Es ist wichtig, vorwegzuschicken, dass keinem Patienten ein Medikament weggenommen wird, das er braucht. Placebos ersetzen keine notwendigen Medikamente, sonst wäre die Sicherheit des Patienten ja gefährdet. Bei Placebo-kontrollierten Studien hat man klassischerweise einen Behandlungsarm, also die Menschen, die die neue Behandlung erhalten, und einen Kontrollarm. Im Kontrollarm erhalten die Patienten das Placebo an Stelle des neuen Wirkstoffs. Ansonsten ist die Behandlung der Patienten gleich. Niemand wird in einer Studie also schlechter behandelt, als der medizinische Standard es vorsieht.

Trotzdem sprachen Sie auch von Nachteilen.

Ehrlicherweise muss man sagen: Ja, als Studienteilnehmer hat man immer ein gewisses Risiko, denn es wird ja etwas Neues getestet. Andererseits kann man eben auch Vorteile haben, wie beispielsweise eine engmaschigere Beobachtung oder eine Untersuchungsmethode, die die Krankenkasse nicht zahlt. Das ist je nach Studie unterschiedlich. Die Sicherheit der Pa­ti­en­ten wird immer überwacht, und es wird alles getan, damit die Vorteile die möglichen Nachteile überwiegen. Aber egal, wie gut alles vorbereitet und überlegt und geplant wurde, es kann immer wieder Überraschungen geben. Das kann nur ein blauer Fleck nach einer Blutabnahme sein, das kann aber auch eine allergische Reaktion oder Ähnliches sein.

Kann man als Stu­di­en­teil­neh­me­r:in Geld verdienen?

In Deutschland kaum. In Phase-1-Studien, wo neue Medikamente erstmals an gesunden Menschen getestet werden, setzen sich die Probanden schon einem Risiko aus, denn sie nehmen ja ein Medikament ein, obwohl sie gesund sind. Dafür bekommen sie häufig Geld, vielleicht so 2.000 bis 3.000 Euro. Oft haben die Studien aber als Voraussetzung, dass man in den letzten Monaten nicht an anderen Medikamentenstudien teilgenommen haben darf, man kann mit der Teilnahme an Studien also nicht mehrfach hintereinander viel Geld verdienen. Für klinische Studien in späteren Stadien gibt es eigentlich kein Geld. Manchmal bekommt man eine kleine Aufwandsentschädigung oder einen Gutschein. Aber der Patientenschutz in Deutschland ist sehr hoch, damit sich Menschen nicht aus Geldmangel an die Forschung verkaufen.

Welches Vorgehen würden Sie Menschen raten, die an einer Studie teilnehmen möchten?

Wenn ich eine bestimmte Erkrankung habe und bei meinem Facharzt bin, kann ich den natürlich fragen, ob er von einer klinischen Studie weiß, für die ich infrage kommen könnte. Eine weitere Möglichkeit wäre, auf den Webseiten der Kliniken in der Umgebung zu schauen, welche Studien dort durchgeführt werden. Es wird sich darum bemüht, den Bereich der klinischen Studien für Bürger transparenter zu machen. Gerade ist ein EU-weites Portal online gegangen, Ctis heißt das. Bei dem kann jeder schauen, wo welche klinischen Studien laufen, wer daran beteiligt ist und so weiter.

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