: Erst die Beratung, dann die Impfpflicht
Neuer Gesetzentwurf einiger Ampelabgeordneter um den FDP-Politiker Ullmann liegt vor
In der Debatte über die mögliche Ausweitung der Corona-Impfpflicht liegt ein weiterer Entwurf von Bundestagsabgeordneten auf dem Tisch. Die Gruppe um den FDP-Politiker und Infektiologen Andrew Ullmann spricht sich dafür aus, dass alle noch nicht gegen Covid-19 geimpfte Personen eine Impfberatung in Anspruch nehmen müssen. Sollte dies nicht zu einer ausreichenden Impfquote führen, soll in einem zweiten Schritt eine Impfpflicht für alle Menschen ab 50 Jahren eingeführt werden. Dies sei verhältnismäßig, angemessen und könne effektiv sein, sagte Ullmann am Mittwoch bei der Präsentation des Entwurfs in Berlin. Eingriffe in Grundrechte wolle man möglichst gering halten, ergänzte die zur Gruppe gehörende Grünen-Politikerin Paula Piechotta.
Der Entwurf sieht vor, dass die Krankenversicherungen über Impfungen und die Regel aufklären sollen. Bis zum 15. September müssten dann alle Bürgerinnen und Bürger nachweisen können, dass sie vollständig – in der Regel dreimal – geimpft oder genesen sind oder eine Impfberatung hatten. Nach dann vorliegenden wissenschaftlichen Erkenntnissen über eventuell neue Virusvarianten, Herdenimmunität und eine drohende neue Infektionswelle soll beurteilt werden, ob zusätzlich eine Impfpflicht für Ältere notwendig ist. Dafür wäre ein erneuter Bundestagsbeschluss nötig.
Ullmann und seine Mitstreiter halten eine Impfpflicht ab 50 Jahren für ausreichend, weil insbesondere Älteren ein schwerer Covid-19-Verlauf auch verbunden mit einem Krankenhausaufenthalt droht. Um das Gesundheitswesen vor einer Überlastung zu schützen, helfe also vor allem deren Impfung. Nach den Erfahrungen der beiden vergangenen Pandemiewinter sei klar, so Ullmann, „dass wir uns besser vorbereiten müssen“. Der FDP-Abgeordnete Konstantin Kuhle sagte, ob die Impfpflicht ab 50 wirklich gebraucht werde, könne jetzt noch nicht seriös bewertet werden.
Grundlage für die Entscheidung über eine mögliche Impfpflicht sollen wissenschaftliche Erkenntnisse insbesondere über die vorhandenen Impfquoten und Virusvarianten des Sars-CoV-2-Virus sein. Gelten soll die Impfpflicht dann für alle Menschen über 50, die seit mindestens sechs Monaten ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland haben. Alternativ zum Impf- soll auch ein Genesenennachweis zulässig sein.
Der Gesetzentwurf hat Unterstützung von Abgeordneten aus allen drei Ampelfraktionen. Mitinitiiert haben ihn auch die Grünen-Parlamentarierin Kordula Schulz-Asche sowie die SPD-Abgeordneten Franziska Maschek und Herbert Wollmann.
Ein weiterer interfraktioneller Gesetzesentwurf ist weitgehender und sieht eine allgemeine Impfpflicht für alle Volljährigen vor. Eine Gruppe um den FDP-Abgeordneten Wolfgang Kubicki lehnt die Impfpflicht komplett ab, ihr Antrag hat unter anderem die Unterstützung von Gregor Gysi und Sahra Wagenknecht von der Linken. Die Unionsfraktion arbeitet aktuell ebenfalls an einem Antrag.
In Deutschland sind nach Angaben des Robert-Koch-Instituts aktuell rund drei Viertel der Bevölkerung vollständig, also in der Regel zweimal, gegen Covid-19 geimpft. Mehr als die Hälfte (55,7 Prozent) hat auch bereits eine Auffrischungsimpfung erhalten. (taz, epd, afp)
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