Olympische Regeln im Ukraine-Konflikt: Neutralisierung von Prinzipien

Den Aufruf zum Frieden eines ukrainischen Skeletoni wertet das IOC als unpolitisch, will aber selbst dazu nichts sagen. Man betont seine Neutralität.

Skeleton-Fahrer Wladislaw Heraskewitsch mit Zettel mit Aufschrift "No war in Ukraine

Einmalig erlaubt: Der ukrainische Skeleton-Fahrer Wladislaw Heraskewitsch wirbt für Frieden Foto: Vladyslav Heraskevych/dpa

PEKING taz | Frieden ist etwas Wichtiges für die Hüter der Olympischen Spiele. Noch wichtiger aber ist Neutralität. So könnte man die Haltung des IOC zum Konflikt zwischen Russland und der Ukraine zusammenfassen.

Es gibt ja dieses Prinzip des olympischen Friedens, das weltweite Waffenruhe gebietet, so lange die Wettbewerbe laufen. Aber IOC-Chef Thomas Bach werde voraussichtlich keinen persönlichen Appell an den russischen Präsidenten Wladimir Putin richten, teilte sein Sprecher Mark Adams am Sonntag mit: „Ich nehme an, er wird sich auf die Spiele konzentrieren.“ Und das IOC generell würde sich auf seine Kern­botschaft der Neutralität konzentrieren.

Anders als Bach hat dagegen am Freitag der ukrainische Skeleton-Pilot Wladislaw Heraskewitsch für Frieden in der Ukraine geworben. Er hob im Eiskanal einen Zettel in den Landesfarben hoch, auf dem „No war in Ukraine“ stand.

Das IOC fühlte sich aber in seiner Konzentration auf Neutralität nicht gestört. Man argumentierte, es habe sich in dem Fall nicht um eine politische Botschaft gehandelt, sondern um einen generellen Aufruf für Frieden. Die Prinzipien des Olympismus seien eingehalten worden. Die gelockerte Regel 50.2 der Olympischen Charta sei nicht verletzt worden. Nach dieser ist ein Protest möglich, wenn er sich „nicht direkt oder indirekt gegen Menschen, Länder, Organisationen und/oder ihre Würde richtet“.

Allerdings, teilte IOC-Sprecher Adams mit, habe Heraskewitsch nach einem Gespräch verzichtet, den Zettel auch im Finallauf zu zeigen. Generelle Aufrufe zum Frieden sind offenbar nur einmalig tolerierbar. „Wir hatten Verständnis, er hat es nicht wiederholt, weiter geht es“, sagte Adams.

Die olympische Prinzipienlehre ist kompliziert. Wer aber nun glaubt, man dürfe bei den Spielen nun zumindest einmalig einen Zettel mit der Aufschrift „Keine Diskriminierung in China“ hochheben, ist naiv. Gewiss, in der Olympischen Charta ist verankert: „Jede Form von Diskriminierung eines Landes oder einer Person aufgrund von Rasse, Religion, Politik, Geschlecht oder aus sonstigen Gründen ist mit der Zugehörigkeit zur Olympischen Bewegung unvereinbar.“ Was aber olympische Prinzipien von allen anderen Prinzipien unterscheidet: Sie sind nicht allgemeingültig. Bedeutsame IOC-Partner sind stets in der Lage, sie zu neutralisieren.

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