Hamburger Derbysieg im fünften Anlauf: HSV wehrt St. Paulis Angriff ab

Mit dem 2:1 gegen den FC St. Pauli holt der HSV sich die „Stadtmeisterschaft“ zurück – und spielt wieder um den Aufstieg in die Fußball-Bundesliga.

Der Fußballer BAkery Jatta von HSV fliegt über St. Paulis Torwart Nikola Vasilj

Überflieger: Bakery Jatta krönte seine Leistung mit einem Kunstschuss zum 2:1 für den HSV Foto: Christian Charisius/dpa

HAMBURG taz | Wenn der HSV gegen den FC St. Pauli spielt, dann geht es immer gleich um die Vorherrschaft in der Stadt. Das ist so albern wie unvermeidlich. Wenn man sich dennoch auf diese Betrachtungsweise einlassen wollte, dann hätte der HSV sie sich mit seinem 2:1-Sieg am Freitag zurückgeholt, nach zwei harten Jahren, in denen der „große“ Verein gegen den Stadteilclub nur einmal einen Punkt geholt und dreimal verloren hatte.

Beide Teams hatten in der Woche bereits großes geleistet, waren ins Viertelfinale des DFB-Pokals eingezogen. St. Pauli hatte den Titelverteidiger Borussia Dortmund souverän ausgeschaltet. Der HSV hatte sich ebenfalls gegen einen Erstligisten durchgesetzt, musste beim 1. FC Köln aber durch Verlängerung und Elfmeterschießen gehen und kam letztlich nur weiter, weil der unglückliche Kölner Schütze des entscheidenden Elfmeters sich selbst ans Standbein geschossen hatte und sein Treffer deswegen nicht anerkannt wurde.

Von den zu erwartenden müden Beinen oder Köpfen war beim HSV im Derby drei Tage später nichts zu sehen. Die Gastgeber waren den St. Paulianern in allen Belangen überlegen, die ihrerseits offenbar keinen Motivationsschub aus dem Überraschungs-Coup gegen Dortmund mitgenommen hatten.

St. Pauli-Trainer Timo Schultz gratulierte artig zur verdienten „Stadtmeisterschaft“

Dabei hatte ihr Trainer Timo Schultz danach versprochen, Zeit zum Feiern werde es nach dem Derby geben. Das musste nun ausfallen und Schultz blieb nichts anderes übrig, als dem „Stadtnachbarn“, wie er immer sagt, um die drei Buchstaben nicht in den Mund nehmen zu müssen, artig zur verdienten „Stadtmeisterschaft“ zu gratulieren.

Sein Gegenüber Tim Walter weigerte sich hartnäckig, dem Sieg irgendwas besonderes abzugewinnen, schließlich würden auch in diesem Spiel nur drei Punkte vergeben. „In der Kabine steht eine Kiste Bier“, sagte er schließlich fast mürrisch, „da unsere Jungs ja nicht so viel trinken, werden wir vielleicht eins mehr trinken.“

Dabei könnte sich der Sieg noch als Schlüsselmoment bei dem Bemühen herausstellen, einen nachhaltigeren Angriff des FC St. Pauli abzuwehren. Denn beide Teams haben noch gute Chancen, in die erste Bundesliga aufzusteigen. Und wer das schafft, hat deutlich bessere Karten, die wirtschaftlichen Schäden aufzufangen, die die Pandemie bereits angerichtet hat und mit jedem Spiel weiter anrichtet, zu dem der Hamburger Senat nicht mehr als 2.000 Zu­schaue­r:in­nen zulässt.

Beide Clubs brauchen dringend frisches Geld

Der HSV hat schon vor der Pandemie Jahr für Jahr ein Millionenminus eingefahren. Zuletzt hat er seinen Finanzvorstand wenige Monate vor Vertragsende gefeuert. Innerhalb weniger Tage ist der Neu-Anteilseigner Thomas Wüstefeld in den Aufsichtsrat eingezogen, dessen Chef geworden und von dort auf den Posten des Finanzvorstands aufgerückt. Es wirft ein Licht auf den Grad der Verzweiflung beim HSV, dass diesmal niemand „Putsch“ schreit.

Der FC St. Pauli dagegen hatte eine Dekade der Konsolidierung hinter sich, war kerngesund, als die Pandemie zuschlug – und hat dennoch innerhalb eines Jahres sein halbes Eigenkapital aufgebraucht. Mit dem Aufstieg käme viel frisches Geld. Zuletzt ist dies – immer noch inoffizielle – Ziel wieder etwas weiter weg gerückt: Seit vier Spielen ist in der Liga kein Sieg gelungen, aus der Tabellenführung mit sechs Punkten Vorsprung ist der zweite Platz geworden.

Der HSV dagegen liegt auf Platz fünf nur noch drei Punkte hinter St. Pauli. Der Aufstieg scheint plötzlich auch am Volkspark wieder eine Möglichkeit. Und St. Paulis Angriff auf die Spitzenposition in der Stadt könnte der HSV so nebenbei noch abwehren. Sogar wenn beide gemeinsam aufstiegen.

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