Drei Atomkraftwerke vom Netz genommen: Abgeschaltet

Atom­kraft­geg­ne­r:in­nen feiern in der Silvesternacht das endgüligte Aus des AKW Grohnde. Es ist eins von dreien, die planmäßig abgestellt wurden.

Menschen mit einem sybomlischen Schalter in der NAcht vor Kühltürmen

Aus! Atom­kraft­geg­ne­r:in­nen feiern Silvester in Grohnde Foto: Julian Stratenschulte/dpa

GROHNDE taz | Als das neue Jahr beginnt, schieben Ak­ti­vis­t:in­nen den symbolischen Abschalthebel auf „Off“. Andere stimmen ein Lied an: „Grohnde ist aus“. Dann schallt aus einem Musikgerät „Tage wie diese“ von den Toten Hosen. „Das hat mich vor der Kulisse der zwei nun abkühlenden Kühltürme wirklich bewegt“, sagt Arno Schelle, der aus dem 50 Kilometer entfernten Dörfchen Fredelsloh zur nächtlichen „Abschaltfeier“ nach Grohnde gekommen ist. Insgesamt haben sich am späten Silvesterabend rund 120 Leute am Kraftwerk versammelt, unter ihnen auch einige niedersächsische Landtags- und Bundestagsabgeordnete der Grünen.

Das AKW an der Weser nahe Hameln lief seit 1987 und wurde zum Jahresende wie die die Meiler Brokdorf (Schleswig-Holstein) und Gundremmimgen-C (Bayern) im Zuge des Atomausstiegs dauerhaft vom Netz genommen. Spätestens Ende 2022 gehen die auch drei verbliebenen Atomkraftwerke Emsland, Neckarwestheim-2 (Baden-Württemberg) und Isar-2 (Bayern) außer Betrieb.

In Gundremmingen hatten sich bereits am Freitagnachmittag Demonstranten versammelt, um auf die Stilllegung des letzten deutschen Siedewasserreaktors anzustoßen. In Brokdorf verliehen Ak­ti­vis­t:in­nen in der Neujahrsnacht mit einer Projektion auf die Reaktorkuppel ihrer Freude über das Aus des AKW Ausdruck. Auf dem Kraftwerk war in großen Lettern abwechselnd zu lesen: „Dat Ding is ut!“, „Gemeinsam gewonnen“, „Schluss! Endlich!“

Bei der Kundgebung in Grohnde erinnern ältere Teilnehmer an die Großdemonstration am 19. März 1977, bei der zahleiche Demonstranten und Polizisten verletzt wurden und die als „Schlacht von Grohnde“ in die Protestgeschichte einging. Red­ne­r:in­nen wiesen auf zahlreiche Störfälle des AKW und die ungelösten Probleme bei der Entsorgung des Atommülls hin.

Seit der Inbetriebnahme des Kraftwerks habe es dort rekordverdächtige rund 280 meldepflichtige Ereignisse gegeben. 1985 fiel bei einer Revision auf, dass das Hochdruck-Notkühlsystem nicht funktionierte, weil eine der vier Pumpen Gas statt Wasser enthielt. Ein Leck im Primärkühlkreislauf, befand der Umweltverband BUND, hätte damals „zur Kernschmelze und damit zum Super-GAU führen können“.

Atomkraftaufkleber am Kühlschrank

Auch der frühere niedersächsische Landwirtschaftsminister und jetzige Grünen-Abgeordnete Christian Meyer ist bei der Abschaltfeier vor Ort. Sein Vater war als Bauarbeiter an der Errichtung des AKW beteiligt, später auch mit Strahlenpass bei Revisionsarbeiten in der Anlage eingesetzt. Von dort brachte er dem Sohn einen Aufkleber mit, der lange am Kühlschrank in der Küche klebte: „Atomkraftgegner überwintern – bei Dunkelheit mit kaltem Hintern“.

Wahrscheinlich, so Meyer, „hat mich das zum Energiewendefreund und Atomkraftgegner gemacht“. Später als Politiker konnte er den Katastrophenschutzplan für Grohnde einsehen und „war erschrocken. Viele Sammelstellen waren gar nicht mehr vorhanden, es gab keine Koordinierung zwischen den Landkreisen, ob Holzminden Atomflüchtlinge aus Hameln aufnehmen könnte, war sehr umstritten. Mein Gymnasium sollte die Dekontaminationseinheit für den Fall der Atomkatastrophe werden.“

Drinnen im Kraftwerk ist niemandem zum Feiern zumute. „Für uns Kraftwerker ist das ein trauriger Moment, denn die Anlage ist in einem sehr guten Zustand“, sagte AKW-Leiter Michael Bongartz. „In den vergangenen 37 Jahren haben wir in Grohnde mehr Strom erzeugt als jedes andere Kraftwerk auf der Welt“. Seit der ersten Netzsynchronisation am 5. September 1984 sei der Reaktor insgesamt „acht Mal Weltmeister“ in der Jahresstromerzeugung gewesen und habe dabei „zwei Mal einen Weltrekord“ aufgestellt.

Mit dem Ende des Regelbetriebs beginnt in Grohnde die Phase des Rückbaus. Der Betreiber PreussenElektra rechnet damit, dass allein der Abriss des nuklearen Teils rund 15 Jahre dauern wird. Die Atomkraftgegner wollen den Prozess kritisch begleiten.

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