Neue Wege im Bahnradsport: Splitter stören nicht

Mit der Champions League macht sich der Bahnradsport kompatibel für die Fernsehzukunft. Weder Holzspäne noch Corona können das ändern.

Ein volles Velodrom in London, im vorderen BEreich sieht man vier Radsportlerinnen im Sprint

Emma Hinze (re.) rast auf Platz eins: Abschluss der Champions League Foto: Walton/dpa

Ein bisschen Tischfeuerwerk im geschlossenen Raum, und dann betraten die zwei Siegerinnen und zwei Sieger der neuen Track Champions League das Innere des Londoner Velodroms. Emma Hinze gewann die Sprintwertung der Frauen vor Lea Sophie Friedrich, das niederländische Toptalent Harrie Lavreysen fing im Sprint der Herren den Keirin-König des Wettbewerbs, Stefan Bötticher, ab. Die Ausdauertitel gingen an die Britin Katie Archibald und den US-Amerikaner Gavin Hoover. Alle vier bekamen Prämienschecks über je 25.000 Euro. „Ich finde es gut, dass Frauen und Männer gleichberechtigt sind, dass wir die gleichen Strecken fahren und auch die gleichen Prämien bekommen“, hob Hinze die ziemlich neue Gendergerechtigkeit hervor.

Sportlich überzeugten vor allem die Kurzzeitformate bei diesem neuen Wettbewerb. Sie bestanden aus Sprint und Keirin. Im Sprint gab es das Novum, dass Vorläufe und Halbfinals im Dreierformat ausgetragen wurden. Das reduzierte die Anzahl der Läufe und führte zu neuen taktischen Finessen. Das Finale bestritten jeweils zwei Athletinnen und Athleten in jeweils nur einem Lauf. Dort setzten sich mit Emma Hinze und Harrie Lavreysen die jeweiligen Favoriten durch.

Spannender wurde es im Keirin. Bei ihrem Versuch, eine Lücke zu finden, die es nicht gab, ging Hinze am Freitag sogar zu Boden. Sie verpasste nicht nur das Finale und verlor wertvolle Punkte. Sie war auch körperlich angeschlagen. Umso bemerkenswerter war ihr anschließender Sieg im Sprintfinale. Drastisch beschrieb sie ihre Verfassung: „Ich hatte einige Splitter in meinem Hintern, die sie mir dann nach dem Rennen rausgezogen haben.“

Noch aufregender, zum Glück ohne Holzsplitter im Körper, ging es im Keirin der Männer zu. Bei drei der insgesamt vier Wettkampftage setzte sich überraschend Bötticher durch. Vor allem am doppelten Abschlusstag in London am Freitag und Samstag lieferte der Chemnitzer zwei taktische Glanzleistungen ab. Erst machte der ebenfalls fürs Finale qualifizierte Berliner Maximilian Levy das Rennen so schnell, dass der auf einer hinteren Position hinter dem Schrittmachermotorrad gestartete Lavreysen viel Kraft beim Aufholen verbrauchen musste.

Als der zu Bötticher aufgeschlossen hatte, zwang ihn Letzterer auf die längere Außenbahn. „Harrie war hinten und es war ziemlich schnell. Er ist dann losgefahren, aber ich konnte spüren, dass er vielleicht nicht mehr so stark war wie im Sprint und konnte ihn halten“, beschrieb Finalsieger Bötticher die entscheidenden Szenen. Im Keirinfinale am Samstag setzte sich Lavreysen umgehend an die Spitze. Er wurde dann aber von Levy überholt und etwas ausgebremst. Mit Schwung kam Bötticher von hinten und fing Lavreysen noch ab.

Mit Taktik zum Sieg

Das für nächste Woche angesetzte Finale in Israel wurde wegen Corona abgesagt

Das taktische Meisterwerk der beiden Deutschen war allerdings dadurch begünstigt, dass Levy in seinen letzten Rennen der Karriere keine eigenen Siegambitionen hatte und sich deshalb in den Dienst Böttichers stellte. Zudem nahm Lavreysens Landsmann Jeffrey Hoogland, vom physischen Leistungsniveau höher einzuschätzen als Bötticher, als Kontaktperson zweier an Corona erkrankter Teamkollegen nicht mehr an den beiden Wettkampftagen in London teil.

Überhaupt setzte die Pandemie dem Wettbewerb heftig zu. Ursprünglich waren sechs Events geplant. Nach dem Auftakt in Mallorca fiel die nächste Station, das Velodrom bei Paris, aus, weil es zum Impfzentrum umgebaut worden ist. Nach der dann folgenden Station in Litauen sowie dem Londoner Doppelevent wurde das für nächste Woche angesetzte Finale in Tel Aviv aufgrund der strengen Coronaregeln in Israel abgesagt.

Dennoch ist das neue Format als Erfolg zu bewerten. Das meinen sogar konkurrierende Veranstalter. „Das ist eine tolle Ergänzung“, konstatierte Dieter Stein, sportlicher Leiter des für Februar 2022 geplanten Berliner Sechstagerennens. „Jeder Wettkampf im Bahnradsport ist willkommen, denn es gibt viel zu wenige davon“, sagte Stein. Man müsse nur darauf achten, dass sich die Termine nicht überschneiden.

Die UCI, neben den Fernsehsendern Europsport und Discovery, Mitveranstalter des neuen Formats, ist bei der Kalenderplanung also zu Neutralität aufgerufen, um den klassischen Bahnveranstaltungen im Winter nicht das Wasser abzugraben. Der Regulator ist hier auch Wettbewerber – das birgt Konfliktpotenzial.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.