Präsidentschaftskandidat Zemmour: Diversity-Party für Rechtsextreme

Wieder mal könnten unsere französischen Nachbarn ein Stück weiter Richtung politischer Dystopie rücken. Dafür muss Zemmour nicht mal gewählt werden.

Eric Zemmour hebt die Hände, im Hintergrund schwenkt jemand die Frankreich-Fahne

Eric Zemmour bei einer Wahlkampfveranstaltung in Villepinte bei Paris am vergangenen Sonntag Foto: Christian Hartmann/Reuters

Éric Zemmour möchte der nächste Präsident Frankreichs werden. Wer Zemmour nicht kennt: Er wurde zweimal rechtskräftig wegen „Aufrufs zu rassistischer Diskriminierung“ verurteilt. Wenn sogar französische Gerichte die Gefahr, die von diesem Mann ausgeht, erkennen, dann muss sie sehr groß sein.

Zemmour ist von Beruf Polemiker. Er ist eine Mischung aus Autor, Talkshow-Gast und Politiker in der Ich-AG. In der Vergangenheit hat der 63-Jährige auf der Klaviatur des Faschismus gekonnt Partituren für die für rechtes Gedankengut empfängliche französische Gesellschaft gespielt. Gerne setzt er sich vor Kameras und erzählt von der angeblichen „Umvolkung Frankreichs durch Migranten“, glorifiziert den gewalttätigen französischen Kolonialismus.

Zemmour forderte neulich, den Namen Mohammed zu verbieten, weil er „nicht republikanisch“ sei, und rief dazu auf, das Land „zurückzuerobern“ im Sinne einer Reconquista. Gezielt bedient er Kriegsrhetorik, weil er im Sinne einer lang gereiften Tradition des französischen Rechtsextremismus einen Krieg möchte. Mehrere französische Medien haben diese Thesen und Ansichten normalisiert, indem sie Zemmour hofierten und ihm eine Bühne geboten haben.

Gegen Éric Zemmour wirkt Thilo Sarrazin wie ein Grundschulkind, das nicht rechnen kann, wenn es zum Beispiel um die Auswertung von Polizeistatistiken geht. Sarrazins rechtsnationale Thesen können mit einem Rechenschieber entkräftet werden. Zemmour dagegen ist der personifizierte Abgrund der französischen und europäischen Politik, und am vergangenen Wochenende jubelten ihm Tausende in Paris in einem Tricolore-Fahnenmeer zu.

„Ich, ein Faschist?“

Vor allem, als er sich davon distanzierte, ein Rassist zu sein. Als Jude und ursprünglich aus Nordafrika stammend könne er gar kein rassistisches Gedankengut hegen, behauptete Zemmour. Der Jubel war ohrenbetäubend: Diversity-Party für Rechtsextreme. Auch klatschten und johlten sie, als ihr Held auf der Bühne zum Vorwurf des Faschismus lapidar feststellte: „Ich, ein Faschist? Wir werden sehen!“

Eine Handvoll Ak­ti­vis­t*in­nen begab sich in die Halle, in der sich Zemmour bei dieser Ansprache voller Hass und Hetze und Verachtung für Minderheiten, insbesondere Mus­li­m*in­nen, hat feiern lassen. Die Ak­ti­vis­t*in­nen wollten friedlich ein Zeichen gegen Rassismus setzen. Auf Fernsehbildern war dann zu sehen, wie Zemmour-Adepten auf sie und auf Jour­na­lis­t*in­nen losgingen, Stühle nach ihnen warfen, sie mit Vorsatz verletzten, sich dafür feierten. Eine Antirassismus-Aktivistin war später mit blutverschmiertem Gesicht und sichtlich unter Schock stehend zu sehen.

Warum ich das alles erzähle? Kommendes Jahr sind in Frankreich Präsidentschaftswahlen. Wieder mal sollten wir uns Sorgen machen, dass unsere Nachbarn ein Stück weiter Richtung politischer Dystopie rücken. Dafür muss Zemmour nicht mal die Wahl gewinnen.

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Mohamed Amjahid ist freier Journalist und Buchautor. Bei Twitter schreibt er unter dem Handle @mamjahid, bei Instagram @m_amjahid. Seine Bücher "Der weiße Fleck. Eine Anleitung zu antirassistischem Denken" und "Let's Talk About Sex, Habibi" sind bei Piper erschienen.

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