Klopfzeichen

Das Pferd erzählt: Clemens Setz bedankt sich für den Büchnerpreis

Clemens Setz Foto: Helmut Fricke/dpa

Ach, erzähl mir doch keinen vom Pferd. Diese Redewendung verwendet man, um auszudrücken, dass man den Ausführungen seines Gegenübers nicht recht zu trauen vermag. Der Schriftsteller Clemens Setz hat genau dies getan, als er am Samstag in Darmstadt den diesjährigen Büchnerpreis entgegennahm. In seiner Dankesrede hat er vom Pferd erzählt, genauer: von den drei Pferden, denen der Tierpsychologe Karl Krall am Anfang des vergangenen Jahrhunderts ganz ernsthaft das Buchstabieren beibringen wollte, was zu genau dokumentierten, wenn auch naturgemäß nicht immer verständlichen Kommunikationsversuchen zwischen Mensch und Tier führte. Karl Krall sprach Gegenstände und Namen vor, die Tiere antworteten mit Klopfzeichen mit den Hufen, was Clemens Setz nun einerseits, dem Genre der Büchnerpreisrede gemäß, mit Szenen aus Büchners „Woyzeck“ zusammenbringt, andererseits aber auch in einer geradezu atemberaubenden Wendung in den Ersten Weltkrieg münden lässt. Denn „Kralls Pferde“, so zitiert Setz Wikipedia, „wurden zum Kriegsdienst eingezogen; über ihr weiteres Schicksal ist nichts bekannt.“ Worauf Clemens Setz sich eine Romanszene ausdenkt, in der Karl Krall am Vorabend des Krieges von seinen Pferden Abschied nimmt: „musste er ihnen, an denen sein Herz zweifellos mehr hing als an irgendwelchen Mitmenschen, nicht vielleicht doch den Krieg zu erklären versuchen?“ – Es ist eine sehr kunstvolle Rede, die Clemens Setz gehalten hat, eine Rede, neben der manche manifest­artige Ausführungen zum Wesen der Literatur, die man zu diesem Anlass auch schon gehört hat, unelegant wirken. Wer erzählen will, sollte, so Setz, „sprechen lernen in einer Art des ständigen und beherzten Verfehlens von Seelen […]. Im Grunde kann dich niemand je verstehen. Also erklär dich. Verwalte das Unübertragbare gut.“ Und ganz am Schluss der Rede, kurz bevor er Joseph Winkler, Ernst Jandl und Friederike Mayröcker als seinen Vorbildern dankt, wird klar, mit wem Clemens Setz sich zumindest teilweise identifiziert. Er bezeichnet seine Rede als „Klopfzeichen“. Es sind auch die Pferde, die erzählen. (drk)