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Ein „Eiserner Kanzler“ für die Lausitz

Ein Gesangsverein will ein Bismarck-Denkmal wiedererrichten – und verärgert die sorbische Minderheit

Von Michael Bartsch

Bis 1950 thronte Bismarck auf einem Hügel nahe Bautzen. In der üblichen furchteinflößenden Herrscherpose blickte der „Eiserne Kanzler“ starr und kalt ins Land der Untertanen. Alte Aufnahmen zeigen die Statue in Offiziersmantel, eine Hand auf das Schwert gestützt. Heute ist nur noch der Sockel übrig.

Das soll sich ändern. Jedenfalls nach dem Wunsch der Bautzener Liedertafel, eines Gesangsvereins aus dem AfD- und Pegida-Umfeld. Auf dem etwa zehn Kilometer von Bautzen entfernten 556 Meter hohen Aussichtsberg Czorneboh soll die zerstörte Bismarck-Statue wiedererrichtet werden. Doch besonders die slawische Minderheit der Sorben empfindet das als Provokation: Der Berg hat in ihrer Kultur eine mythische Bedeutung. „Czorneboh“ stammt aus dem Sorbischen und lässt sich mit „Schwarzer Gott“ übersetzen.

Das Problem: Der Berg gehört der Stadt Bautzen, und deren Hauptausschuss hat den Denkmalplänen bereits zugestimmt. Der Liedertafel-Verein will die neue Skulptur auch selbst bezahlen, die Stadt müsste nur für die Denkmalpflege aufkommen. Der erste Protest gegen den erneuten Bismarck regte sich am Bautzener Sorbischen Institut. Wissenschaftler äußerten in einem offenen Brief „Bestürzung und Unverständnis“. Der Wiederaufbau zeuge von „beispielloser Geschichtsvergessenheit“, denn Bismarck tauge „nicht im Geringsten als positiver Bezugspunkt der Erinnerungskultur einer demokratischen, solidarischen und weltoffenen Gesellschaft“. Bismarck habe eine Germanisierung nationaler Minderheiten verfolgt und neben anderen Fremdsprachen auch das Sorbische an Schulen verboten.

Kurz darauf schrieb auch David Statnik als Vorsitzender des Sorbischen Dachverbands Domowina an Bautzens SPD-Oberbürgermeister Alexander Ahrens. Darin wird der OB gebeten, sich gegen das Denkmal auszusprechen. Statnik wirft auch die Frage nach der Ehrung einer Person auf, „die mit der Geschichte der Stadt wenig in Verbindung gebracht werden kann“. Auch sorbische Künstler wie die Dichterin Roza Domascyna und Elke Lorenc meldeten sich jüngst zu Wort. Sie bezeichnen Bismarck als „deutschnationalen Militaristen“ und erinnern an die 1930er Jahre, als die drei Köpfe Bismarcks, Hindenburgs und Hitlers in einer Reihe dargestellt wurden.

Bautzens SPD-Oberbürgermeister hingegen verteidigt das Vorhaben. „Wir müssen uns der Geschichte stellen. Bismarck war kein Verbrecher und wir müssen ihn auch nicht als solchen behandeln“, sagte er dem MDR. Ahrens verweist auf dessen Verdienste in der Sozialpolitik, obschon das Sozialistengesetz nach 12 Jahren 1890 endgültig scheiterte und Bismarck die Arbeiterbewegung einen „Reichsfeind“ nannte.

Kommentare zu dem MDR-Bericht zeigen, dass der Reichskanzler tatsächlich noch Anhänger hat. Wobei auch diese einräumen, dass das Denkmal „nicht gerade gelungen“ sei.

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